Analyse: Klimagipfel startet hoffnungsvoll
Kurz vor Beginn der Tagung sagte auch noch US-Präsident Barack Obama für den letzten, wichtigsten Verhandlungstag seine Teilnahme zu. Mehr Länder als jemals zuvor in den Klimaverhandlungen haben bereits Klimaziele auf den Tisch gelegt, verkündete UN-Klimachef Yvo de Boer. Und es zeichnet sich ab, dass als Soforthilfe zumindest 10 Milliarden Dollar (6,7 Milliarden Euro) pro Jahr für Entwicklungsländer bereitgestellt werden können.
Doch bis zum Erfolg ist es noch ein weiter Weg: Die Klimaschutzziele sind nach Aussagen von Forschern zu schwach, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die Industrie- und Schwellenländer sind sich noch nicht einmal über das Basisjahr für den Treibhausgasausstoß einig, und Entwicklungsländer fordern bis 2020 noch weit höhere Finanzzusagen. Und die Zeit drängt: 2012 läuft das Kyotoprotokoll aus, und die Vereinbarung von Kopenhagen soll dies ersetzen. Das Kyotoprotokoll brauchte acht Jahre, bis es in Kraft trat.
Die Gipfelteilnehmer blicken zunächst gespannt auch auf den EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag. Denn das langjährige Zugpferd vieler Klimakonferenzen lahmt. Die EU hat zwar vereinbart, von 1990 bis 2020 die Emissionen um 20 Prozent zu senken. Wenn andere Länder mitmachen, sogar um 30 Prozent. Doch ist fraglich, was dabei berechnet wird.
Die ehemaligen Ostblockländer haben nach der Wende und dem Zusammenbruch der Industrie ihren Treibhausgasausstoß extrem verringert: Polen um 30, Rumänien um 45 Prozent gemessen von 1990 bis 2007. Dürfen sie auch nach 2012 noch von dieser sogenannten «heißen Luft» zehren und Emissionsgutscheine an andere Länder verkaufen? «Wenn die Übernahme der heißen Luft erfolgt, dann müssten die Reduktionsziele entsprechend verschärft werden», fordert der Politikchef von Greenpeace Deutschland, Stefan Krug. Es ist noch nicht klar, ob es bis Freitag eine gemeinsame EU-Position dazu geben wird.
Auch bei einem weiteren Hauptpunkt des Klimagipfels, den Finanzzusagen der Industriestaaten an die Entwicklungsländer schauen die Teilnehmer der Klimakonferenz auf den EU-Gipfel in Brüssel. Das Geld brauchen ärmere Staaten für die Anpassung an den Klimawandel und eine umweltfreundliche Entwicklung sie sollen ja trotz Wirtschaftswachstums in Zukunft nicht soviel Treibhausgase ausstoßen wie heute die reichen Staaten der Erde.
UN-Klimachef de Boer nannte konkrete Vorstellungen: 2010 bis 2012 jeweils zehn Milliarden Dollar, später müssten es wesentlich mehr werden. Über die erste Zahl haben unter anderem die USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien im Gipfelvorfeld bereits gesprochen. Die EU hat als erste Ländergruppe anerkannt, dass der Bedarf bis 2020 auf insgesamt 100 Milliarden Euro wachsen wird. Doch sie streitet noch heftig über einen Verteilungsschlüssel.
Neben Brüssel steht Washington im Fokus des Klimagipfels: US-Präsident Obama will sein Gewicht in die Waagschale werfen, und am letzten Gipfeltag nach Kopenhagen kommen. Das wurde weltweit begrüßt, doch wie schwer ist sein Gewicht? Sicherlich wird er nicht denselben Fehler wie Bill Clinton machen, der das Klimaschutzprotokoll von Kyoto unterzeichnete, das dann aber nie vom Senat verabschiedet wurde. Bislang legten die USA 17 Prozent Reduktion bis 2020 vor im Vergleich zu 2005. Das wären vier Prozent im Vergleich zu 1990.
Und genau hier liegt ein weiterer Gipfel-Streitpunkt: Soll das Jahr 1990 oder 2005 als Basislinie gezogen werden? 1990 würde alle ehemaligen Ostblockländer begünstigen, weil danach ihre Industrie zusammenbrach und sie weniger Emissionen hatten. Die USA und China, die von 1990 bis 2005 kräftig zugelegt haben, beziehen ihr Ziel dagegen auf 2005.
Zu den Hoffnungspunkten des Gipfels zählt dagegen sicherlich die Verhandlungsführerin Connie Hedegaard, die zuvor äußerst engagierte dänische Klimaministerin war. «Man kann sich fast keine bessere vorstellen», meint Klimaexperte vom WWF Europa, Stephan Singer. Sollte der Klimagipfel scheitern, liege es bestimmt nicht an ihr.