Analyse: Israels Alptraum wird wahr

Gaza/Tel Aviv (dpa) - Die palästinensischen Angreifer tauchten aus einem der von Israel gefürchteten «Terror-Tunnel» auf. Israelische Soldaten bereiteten sich gerade darauf vor, den unterirdischen Gang im südlichen Gazastreifen zu zerstören.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich nach israelischen Medienberichten in der Nähe der Truppen in die Luft. Zwei der Soldaten wurden getötet. Offenbar in der allgemeinen Verwirrung verschleppten die militanten Palästinenser dann den 23-jährigen Offizier Hadar Goldin, der nach Medienberichten auch britischer Staatsbürger ist.

Die tagelang mühevoll von UN und USA ausgehandelte humanitäre Feuerpause in dem Palästinensergebiet, die der leidenden Bevölkerung ein Atempause verschaffen sollte, war mit dem neuen Zwischenfall hinfällig. Israels Armee bombardierte danach in aller Härte die nahe gelegene Palästinenserstadt Rafah, die Rettungskräfte berichteten von Dutzenden Toten.

«Wenn wir den Soldaten nicht binnen weniger Stunden zurückbekommen, werden wir Gaza plattmachen», sagte Danny Danon von der regierenden Likud-Partei der Nachrichtenseite «ynet». Er hatte allerdings unmittelbar vor der Bodenoffensive wegen radikaler Äußerungen das Amt des Vize-Verteidigungsministers verloren.

Dennoch spiegeln seine Äußerungen die Stimmung von Wut und Verzweiflung in Israel wider. Mit der ersten Entführung eines Soldaten durch militante Palästinenser seit 2006 ist für den jüdischen Staat ein Alptraum wahr geworden. Die Armeeführung hatte den Soldaten seit Beginn der Offensive am 8. Juli immer wieder eingebläut, alles zu unternehmen, um eine Gefangennahme durch Hamas-Kämpfer zu verhindern.

Die Entführung des Soldaten Gilad Schalit ist für Israelis noch eine Art kollektives Trauma. Mehr als fünf Jahre war er in der Gewalt der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Nach jahrelangen Verhandlungen mit deutscher Vermittlungshilfe kam der junge Mann schließlich 2011 frei. Der Preis war für Israel jedoch schmerzhaft hoch: Mehr als tausend palästinensische Häftlinge musste es im Tausch für ihn freilassen.

Angesichts heftiger öffentlicher Kritik an dem Tauschhandel will Israels Regierung im Parlament ein Gesetz durchsetzen, das die künftige Freilassung von Terroristen wie im Fall Schalit verhindern soll. Das Parlament billigte vor einigen Tagen zudem ein Gesetz, das eine Wiederverhaftung freigelassener «rückfälliger Terroristen» erleichtern soll. «Dies ist ein Weg, mit der Drohung von Entführungen umzugehen», sagte Seev Elkin von der regierenden Likud-Partei der «Jerusalem Post». Das Gesetz solle als Abschreckung für potenzielle Entführer dienen.

Für die militanten Palästinensergruppen im Gazastreifen ist das neue Kidnapping allerdings ein großer Erfolg, der auch in den sozialen Netzwerken gefeiert wurde. Sie hatten schon seit Wochen alles daran gesetzt, durch Tunnel israelische Soldaten oder Zivilisten zu töten oder zu entführen. Bei mehreren Anschlägen gab es zwar israelische Tote, die versuchte Verschleppung einer Leiche bei einem Überfall auf einen Militärposten in Grenznähe wurde jedoch verhindert.

Kurz nach dem höchst umstrittenen Tauschhandel 2011 schrieb ein Kommentator der Zeitung «Haaretz»: «Nach der Entführung von Schalit sehen einige israelische Offiziere einen toten Soldaten als besser an als einen entführten.» Das Militär habe nach dem Vorfall das umstrittene sogenannte «Hannibal-Protokoll» in einer überarbeiteten Form wieder eingeführt. Kommandeure sollen demnach bei einer befürchteten Entführung alles unternehmen, um sie zu vereiteln, selbst wenn es das Leben des Soldaten in Gefahr bringt.

Generalstabschef Benny Ganz betonte, das Protokoll erlaube es nicht, einen Soldaten gezielt zu töten, um seine Verschleppung zu verhindern. Ein Kommandeur sagte dem linksliberalen Blatt allerdings, er habe seine Soldaten angewiesen, bei einem Entführungsversuch auf Terroristen zu schießen, selbst wenn sie dabei ihren Kameraden treffen könnten. «Die Botschaft ist, dass kein Soldat in Gefangenschaft geraten darf, und es ist eine eindeutige Botschaft.»

Konflikte / Nahost / Israel / Palästinensische Autonomiegebiete
01.08.2014 · 17:38 Uhr
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