Wahlkampf-Streit um Atomkraft wird heftiger

Berlin (dpa) - Nach den Störfällen im Atomkraftwerk Krümmel streitet die Koalition erbittert über die Zukunft der Kernkraft nach der Bundestagswahl. Die Union zeigt sich zugleich verärgert über Vattenfall und erhöht den Druck auf den Krümmel-Betreiber.

Vor einer Untersuchung der Brennstäbe zum Beginn der Woche ist das Ausmaß der Schäden in dem Reaktor noch unklar. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier griff die CDU frontal an. «Ich begreife wirklich nicht, warum die CDU Kernkraft zur Öko-Energie des 21. Jahrhunderts erklärt und sich derart zum Sprachrohr der Atomlobby macht», sagte er der «Welt am Sonntag».

Umweltminister Sigmar Gabriel sagte im NDR: «Die CDU ist offensichtlich dafür, dass man alte Atommeiler länger laufen lässt, weil die Atomwirtschaft damit eine Million Euro pro Tag verdient.» Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin warf CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel vor, ihre Partei vertrete die Profitinteressen der Energiekonzerne.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte, der Umgang von Vattenfall mit dem Vorfall sei «nicht verantwortlich, nicht entschuldbar und schadet dem Ansehen der Kernkraft». Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kritisierte im «Hamburger Abendblatt»: «Die Dummheit der Energiekonzerne in ihrer Kommunikation ist kaum noch beschreibbar.» Betreiber, die sich verhielten wie Vattenfall in Krümmel, würden «unfreiwillig selbst zu den größten Gegnern der Kernkraft». 

Hamburgs Regierungschef Ole von Beust (CDU) forderte Vattenfall zur raschen Lösung der Probleme auf. «Es ist Schluss mit lustig», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». Sonst solle die Betriebsgenehmigung für Krümmel entzogen oder ein anderer Betreiber gesucht werden. CSU-Chef Horst Seehofer sagte in der «Rheinpfalz am Sonntag», immer wieder gerate Vattenfall in die Schlagzeilen. «Liegt es am Konzern oder an den Kraftwerken, die er betreibt?»

Unter Berufung auf einen Insider der Arbeiten im Krümmel-Reaktor berichtet der «Spiegel», die Sicherheitsmängel könnten größer sein als bekannt. Mit Hilfe eines Stabes seien einige große Metallspäne aus dem Reaktorsicherheitsbehälter geholt worden. Ob es alle waren, sei unklar. Vattenfall bestätigte demnach, «alle erkennbaren Metallspäne» seien geborgen worden. Der Atomreaktor in Krümmel hatte sich nach einem Trafo-Kurzschluss vor gut einer Woche abgeschaltet. Einen Defekt gibt es auch an Brennstäben. Sie sollen von diesem Montag an binnen zwei, drei Tagen analysiert werden.

Vattenfalls Europa-Chef Tuomo Hatakka warnte vor einem Anti-Atom- Wahlkampf. «Da wird in unverantwortlicher Weise mit den Ängsten der Menschen gespielt», sagte er dem Magazin «Focus». Er gehe davon aus, dass Krümmel «in enger Abstimmung mit den Behörden» wieder ans Netz gehe. Der Geschäftsführer der Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH, Ernst Michael Züfle, sagte vor rund 50 Anwohnern und Vertretern von Bürgerinitiativen: «Wir werden den Trafo ganz genau untersuchen.»

Gabriel kritisierte: «Krümmel und andere alte Reaktoren, wie beispielsweise Biblis A, sind Kraftwerke, bei denen der Störfall zum Normalfall wird.» Vattenfall solle die verbleibenden Laufzeiten auf andere Kraftwerke übertragen können. SPD-Chef Franz Müntefering schloss sich im «Spiegel» Gabriels und Steinmeiers Forderung an, Krümmel sofort stillzulegen: «Was in Krümmel passiert ist, stinkt zum Himmel.» Die alten Meiler sollten bis Ende der nächsten Legislatur stillgelegt werden.

Oettinger sagte in der «Bild am Sonntag»: «Ob und wie lange ein Kernkraftwerk betrieben werden kann, sollten Ingenieure, Techniker und die Atomaufsicht entscheiden, aber nicht Kanzlerkandidaten.» Die Kernkraft könne noch bis zwei Jahrzehnte genutzt werden. Schleswig- Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte der «Rheinpfalz am Sonntag», die Bevölkerung wisse besser als die SPD- Wahlkämpfer, dass für eine zuverlässige Stromversorgung auch Kernenergie erforderlich sei. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast warf Union und FDP im «Tagesspiegel am Sonntag» «Lügen über die Versorgungssicherheit in Deutschland» vor.

Andere Unionspolitiker zeigten sich zurückhaltender. Saarlands CDU-Umweltminister Stefan Mörsdorf sagte dem «Spiegel»: «Wir müssen Kraftwerke vom Krümmel-Typ möglichst früh vom Netz nehmen.» Der schleswig-holsteinische Umweltminister Christian von Boetticher (CDU) sagte, die Union müsse «alle Kernkraftwerke in Deutschland kritisch anschauen». Nach Ansicht von Beust macht der Fall Krümmel für die CDU die nötige Debatte über längere Atomlaufzeiten schwerer. 72 Prozent der Bundesbürger und 68 Prozent der Unionsanhänger sind nach einer Emnid-Umfrage für «Bild am Sonntag» für die sofortige Abschaltung älterer Atomkraftwerke. Zugleich glauben 61 Prozent nicht, dass Deutschland in absehbarer Zeit ohne Atomenergie auskommen wird.

Energie / Atom
12.07.2009 · 14:13 Uhr
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