Defizit im Gesundheitsfonds entzweit Union und FDP

Berlin (dpa) - Das Milliardenloch bei den Krankenkassen verschärft die Meinungsunterschiede zwischen Union und FDP über die angestrebte Gesundheitsreform.

Die FDP machte den Gesundheitsfonds am Mittwoch in Berlin mitverantwortlich für das erwartete Defizit von 7,5 Milliarden Euro bei den gesetzlichen Kassen im kommenden Jahr. Dem widersprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Eine Lösung zeichnete sich zum Start der schwierigen Gesundheitsverhandlungen von Schwarz-Gelb nicht ab. Kassen und Sozialverbände warnten vor einseitigen Belastungen für die Versicherten durch flächendeckende Zusatzbeiträge. Ab diesem Donnerstag wollen beide Seiten die Finanzprobleme diskutieren.

Die Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheit, Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), räumte Schwierigkeiten ein. «In der Tat, es gibt ein Finanzierungsproblem», sagte sie. «Das setzt sich aber nicht aus der Frage des Fonds zusammen.» Auch Merkel sieht keinen Zusammenhang zwischen Fonds und Defizit. «Der Gesundheitsfonds ist kein Ausgabentreiber», sagte ihr Sprecher Ulrich Wilhelm.

FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr hielt dem entgegen: «Der Gesundheitsfonds hat dazu beigetragen, dass die Finanzlast so groß geworden ist, dass sich Schulden aufgehäuft haben.» Ohne Fonds hätten die Kassen mehr Anreize, Einnahmen und Ausgaben deckungsgleich zu halten. Das Finanzdebakel sei eine schwere Erblast der scheidenden SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. «Wir müssen vorbehaltlos über den Gesundheitsfonds und alle anderen Fragen diskutieren.» Bahr stimmte auf zähe Gespräche ein. «Ich glaube, dass die Arbeitsgruppe Gesundheit eine der arbeitsintensivsten Verhandlungsgruppen sein wird.» Von der Leyen und der FDP-Verhandlungsführer Philipp Rösler betonten, es gebe keine Vorfestlegungen.

CDU-Expertin Annette Widmann-Mauz warf der FDP vor: «Sie will eine Privatisierung des Gesundheitswesens.» Das komme für die Union nicht infrage, sagte sie im Deutschlandfunk. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) kritisierte enorme Fehlverteilungen durch den Fonds: «Wenn man den Fonds erhalten will, muss man sehr intelligent überlegen, wie man das ausgestalten kann.»

Laut offizieller Schätzung werden die Ausgaben der Kassen 2010 wegen teils satter Zuwächse für Arzneimittel, Ärzte und Kliniken von 167 Milliarden Euro auf 174,2 Milliarden steigen. Die Einnahmen liegen um 7,45 Milliarden darunter. Wachsende Arbeitslosigkeit dürfte ein von steigenden Löhne rührendes Beitragsplus zunichtemachen. Rechnet man regionale Ausgleichszahlungen heraus, beträgt das Defizit sogar 7,8 Milliarden Euro.

Ungeachtet der Finanzprobleme sind die Koalitionäre in spe um eine grundlegende Reform bemüht. Union und FDP wollten «große Schritte» und gute Medizin langfristig auf hohem Niveau sichern, sagte von der Leyen. Es gebe «Lösungsschritte, die noch innovativ sind».

Unklar blieb, wie das Milliardenloch gestopft werden soll. Ulla Schmidt wandte sich unter Verweis auf Kassen-Reserven von mehr als fünf Milliarden Euro gegen eine Anhebung des 14,9-prozentigen Einheitssatzes. «Die Krankenkassen sind keine Sparkassen.» Auch Widmann-Mauz sagte: «Es wäre sicherlich nicht das beste Signal für die deutsche Wirtschaft.» Höhere Steuerzuschüsse schloss Widmann-Mauz nicht aus, sagte aber, der Spielraum sei wegen der krisenbedingten Belastung der Haushalte begrenzt. Sie kündigte Verhandlungen über die geltende Ein-Prozent-Grenze bei den Zusatzbeiträgen an.

Zu einem zentralen Punkt der Verhandlungen dürfte die Suche nach Einsparmöglichkeiten bei Pharmaindustrie, Ärzten oder Kliniken werden. «In der gesamten Gesundheitsbürokratie versickert unglaublich viel Geld», sagte der CSU-Politiker Söder. Wenn Einsparungen möglich seien, dann bei der Pharmaindustrie. Widmann-Mauz sprach sich für mehr Preisverhandlungen zwischen Arzneiherstellern und Kassen aus. «Auf die Patienten darf auf keinen Fall eine Leistungskürzung zukommen», forderte Söder. «Leistungen zu kürzen, ist nicht die richtige Antwort», sagte auch Widmann-Mauz.

Kassen, Gewerkschaften und Sozialverbände machten Front gegen Mehrbelastungen der Versicherten. «Wir fordern, dass die Zusatzbeiträge abgeschafft und stattdessen der Steueranteil an der GKV erhöht wird», sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Der Vizechef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, forderte, die Beitragszahler nicht zu überfordern. «Wenn am Gesetz nichts geändert wird, dann können die Kassen diese 7,5 Milliarden Euro nur über Zusatzbeiträge decken, die von den Versicherten allein zu finanzieren wären», sagte der Chef des Ersatzkassenverbands vdek, Thomas Ballast, im WDR.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte: «Es kann nicht sein, dass jetzt einmal mehr die Schwachen einseitig über Gebühr belastet werden.» Die staatlichen Zuschüsse müssten stattdessen erhöht werden, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, der «Frankfurter Rundschau».

Parteien / Regierung / Personalien
07.10.2009 · 17:20 Uhr
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