Berlin will keine Abberufung des US-Botschafters

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung verlangt keine Abberufung des US-Botschafters Philip Murphy wegen seiner abfälligen Einschätzungen deutscher Spitzenpolitiker in internen Berichten an Washington.

Es gebe auch keinen Grund, eine Entschuldigung von dem Diplomaten zu verlangen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin zu entsprechenden Forderungen aus der FDP-Bundestagsfraktion.

Der Parteivorsitzende und Außenminister Guido Westerwelle, der in den US-Berichten als «aggressiv» und «überschäumend» beschrieben wurde, betonte in der «Berliner Zeitung» (Samstag) sein «sehr gutes Verhältnis» zu seiner amerikanischen Amtskollegin Hillary Clinton. In den Berichten stehe auch, dass er ein Freund der Amerikaner sei.

Die FDP-Spitze bemühte sich unterdessen um Schadenbegrenzung im Fall des Leiters von Westerwelles Parteibüro, Helmut Metzner. Dieser hatte die US-Botschaft während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 über Interna informiert. Metzner ist inzwischen suspendiert. Er soll damals nicht mit Murphy direkt gesprochen haben, sondern mit einem Beamten der US-Botschaft, der seine Informationen dann an Murphy weitergab.

Ende November hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks die ersten von mehr als 250 000 vertraulichen Dokumenten aus US-Botschaften veröffentlicht. Darin fand sich auch der Hinweis auf den FDP- Informanten. Erst nach vier Tagen gab Metzner auf Befragen von Westerwelles Vertrauten und Staatssekretär Martin Biesel zu, dass er in der fraglichen Zeit die US-Botschaft mit Informationen versorgt hatte.

Metzner habe «weder vertrauliche Geheimnisse ausgeplaudert noch gegen Gesetze verstoßen», sagte Westerwelle der «Berliner Zeitung». In der FDP-Spitze hieß es weiter, es handle sich um «Ungeschicklichkeiten, nicht um Staatsgeheimnisse». Metzner, der bislang an allen Sitzungen des FDP-Präsidiums teilnahm, soll einen anderen Posten in der Parteizentrale erhalten.

In der FDP-Bundestagsfraktion gibt es Zweifel an der Darstellung der Parteiführung, dass Westerwelle von den Berichten Metzners für die US-Botschaft während der Koalitionsverhandlungen nichts gewusst haben soll. Der Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann sagte dem Berliner «Tagesspiegel» (Samstag): «Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Helmut Metzner Dinge getan hat, die nicht mit der Parteiführung abgestimmt waren.»

Der zu Zeiten der Koalitionsverhandlungen amtierende FDP- Generalsekretär Dirk Niebel nahm Metzner gegen den Vorwurf der Spionage in Schutz. Die Informationen an die US-Botschaft seien «ganz normales tägliches Geschäft» in der Politik. «Das war kein Maulwurf», sagte der Entwicklungshilfeminister der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Freitag).

Als die Papiere Anfang der Woche von Wikileaks veröffentlicht wurden, hatte Niebel noch erklärt: «Ich halte den Vorwurf für geradezu lächerlich. Ich bestreite, dass es einen Informanten gibt.» Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte: «Herr Metzner hatte die Aufgabe, Kontakt mit ausländischen Botschaften zu halten in seiner Funktion.»

Dass der 41-jährige Metzner nicht gleich offenbarte, wird ihm als Hauptfehler angelastet. Ob er seit dem Herbst 2009 bis jetzt weitere interne Informationen an die US-Botschaft oder andere diplomatische Vertretungen weitergerecht hat, ist offen.

Vor allem in der FDP-Bundestagsfraktion gibt es weiter Unruhe. Einige Abgeordnete verlangen von der US-Regierung Murphys Abberufung. «So ein Botschafter muss nach Hause geholt werden», sagte der FDP-Abgeordnete Hans-Michael Goldmann der «Bild»-Zeitung (Freitag). In der FDP-Zentrale wird diese Forderung ausdrücklich nicht übernommen.

Konflikte / Internet / Wikileaks / FDP / USA
03.12.2010 · 20:49 Uhr
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