Zum Seitensprung verführt – sind Gene schuld?
Das Thema Seitensprung gibt es, seit es Menschen und Partnerschaften gibt. Kaum etwas wird so leidenschaftlich diskutiert und lange wurde davon ausgegangen, dass besonders Männer anfällig sind. Doch es sind schon längst nicht mehr nur Männer, die mit einem Seitensprung ihre Beziehung aufs Spiel setzen. Auch immer mehr Frauen riskieren einen Seitensprung und widersprechen damit dem Klischee, dass Männer per se untreuer seien. Ist der Mensch womöglich gar nicht für die Monogamie geschaffen? Gibt es tatsächlich Gene, die für die Neigung zum Seitensprung verantwortlich sind? Und falls ja, warum hat uns die Natur mit solchen Genen ausgestattet und welche Auswirkungen hat dieses auf unsere monogamen Beziehungen?
Das Treue-Gen: Gibt es das wirklich?
Evolutions-Forscher lieferten schon immer Erklärungen für die Gründe von Untreue: Männer riskieren einen Seitensprung, um ihre Gene möglichst weit zu streuen. Frauen dagegen suchen sich attraktive Männer für einen Seitensprung, um Nachwuchs zu produzieren und somit – evolutionstechnisch gesehen bedeutet Schönheit Gesundheit – der Arterhaltung zu dienen. Interessant: Während des Eisprungs sind höhere Seitensprung-Fantasien festzustellen als an unfruchtbaren Tagen. So machen sich Frauen an ihren fruchtbaren Tagen unbewusst hübscher und sind unternehmungslustiger. Männer dagegen sind während dieser Zeit aufgrund des veränderten Duftes der Frau anfälliger für Reize und einen Seitensprung.
US-Forscher wollen nun entdeckt haben, dass der Hang zur Untreue auf eine einzelne Erbinformation zurückzuführen ist. Somit wären tatsächlich Gene für die Neigung zum Seitensprung verantwortlich. Ausgang dieser Erkenntnisse waren Versuche mit Wiesenmühlmaus-Männchen an der Emory University in Atlanta. Im Vergleich zu den artverwandten Präriewühlmäusen suchen diese Mäuse ständig wechselnde Partner. Dieser Unterschied liegt an der geringeren Menge des Hormons Vasopressin im Gehirn der Wiesenwühlmäuse. Durch eine Gentherapie erhöhten die Forscher die Menge eines einzelnen Eiweißstoffes des Gens für den Vasopressin-Rezeptor im Gehirn der Wiesenwühlmäuse. Dadurch änderten diese ihr Verhalten signifikant und blieben ihrem Partner treu. Diese Erkenntnisse, die bei Studien mit Affen untermauert wurden, könnten auch auf Menschen übertragen werden. Auch bei diesen spielt der Vasopressin-Rezeptor im Gehirn eine Rolle beim Treueverhalten.
Auch an der Binghampton University wurde um den Forscher Justin Garcia die Gen-Variante DRD4, für die Lust nach „verbotenem“ Sex verantwortlich gemacht. Hierfür wurden Teilnehmer einer Studie zur Anzahl ihrer Sexualpartner und ihrer Seitensprünge befragt und die DNA der einzelnen Probanden untersucht. Testpersonen mit dieser Gen-Variante waren um 50 Prozent anfälliger für einen Seitensprung als jene ohne diese Variante.
Eine weitere Untersuchung zum Thema Treue-Gen führte der Zwillingsforscher Professor Tim Spector am St. Thomas Hospital in London durch. Er hat herausgefunden, dass Zwillinge große Übereinstimmungen in Bezug auf ihr Seitensprungverhalten aufweisen. 1.600 eineiige und zweieiige Zwillinge wurden dazu in einer Studie zu ihrem Sexualverhalten, ihrer Einstellung zu Treue und einem Seitensprung sowie der Anzahl ihrer Partner befragt. Laut dieser Studie werden die Anzahl der Partnerwechsel zu 40 Prozent von den Erbanlagen beeinflusst.
Dennoch lässt sich mit der Evolution die Lust auf einen Seitensprung nicht ganz erklären. Untreue hat zahlreiche Facetten – sei es die spontane Lust auf fremde Haut und spannungsgeladene Erotik, die Suche nach Bestätigung, Langeweile, die Frage „Soll das schon alles gewesen sein?“ oder die zahlreichen Verlockungen im Internet … Auslöser fürs Fremdgehen gibt es viele. Das Treueverhalten eines Mannes hängt übrigens nicht davon ab, ob er in einer glücklichen Beziehung lebt oder nicht. Es ist das sexuelle Verlangen, das ihn zum Fremdgehen treibt. Frauen neigen eher dann zum Seitensprung, wenn sie in einer unbefriedigenden Beziehung leben.
Das komplexe Verhalten, das den Einzelnen zum Fremdgehen verführt, kann nicht einem einzigen Gen zugeordnet werden. Unser Verhalten wird zwar teilweise über den emotionalen Autopiloten – unser Unterbewusstsein – beeinflusst, aber die Art und Weise, wie der Einzelne sein Leben führt, ist zum größten Teil nicht durch Gene bestimmt. Stattdessen wird unsere Lebensführung durch soziale Komponenten, unsere Erfahrungen – insbesondere unsere frühkindlichen Bindungserfahrungen – und Wertvorstellungen und die daraus resultierende Selbstkontrolle gesteuert. Die Motivationshintergründe für Seitensprünge sind demnach auch stark vom kulturellen Hintergrund geprägt. Beispielsweise haben unterschiedliche Studien herausgefunden, dass Großstädter eher zur Untreue neigen, als Menschen, die auf dem Land leben. Die Gründe liegen beispielsweise in der größeren Anonymität der Großstädte, die wiederum eine notwendige Sicherheit gibt, aber auch an mangelnden Angeboten auf dem Land, was wiederum eher zur Treue führt.
Freibrief für den Seitensprung?
Selbst wenn es ein solches Treue-Gen gibt, ist es doch nicht alleinig verantwortlich für die Neigung zum Seitensprung. Das Sozialverhalten und das Verhältnis zum anderen Geschlecht werden noch von einer ganzen Reihe anderer Gene beeinflusst. Auch soziale Komponenten sowie die Erziehung spielen eine große Rolle. Hinzu kommt die persönliche Einstellung, die Selbstkontrolle, die äußeren und privaten Lebensumstände und vieles mehr. Daher kann das angebliche Fremdgeh-Gen wohl eher nicht als Freibrief für einen Seitensprung angesehen werden, denn niemand ist seinen Genen hilflos ausgeliefert. Entscheiden muss letztlich jeder selbst, inwieweit er seine Beziehung durch den Lustgewinn aus einem Seitensprung aufs Spiel setzt oder – auch das soll vorkommen – ihr vielleicht sogar neue Impulse verleiht.
Über den Autor
"Liebe sorgt für viel Leidenschaft, schafft aber auch Leid". Warum das so ist und welche Facetten es rund um die Themen Liebe, Sex, Treue und Fremdgehen gibt - dies zu ergründen hat sich Thomas Schmidt, seit 2008 Chefredakteur des führenden Seitensprung Informationsportals Seitensprung-Fibel.de, seit fast einem Jahrzehnt zur Berufung gemacht. Der im Internet bekannteste Experte für außereheliche Beziehungen, bietet seinen Lesern -völlig kostenfrei- fundierte Einblicke in die komplexe Welt der Liebe und gibt Interessierten und Betroffenen Antworten auf ihre Fragen.


