Turbulentes Gipfeltreffen in Brüssel

Brüssel (dpa) - Im Konflikt um einen besseren Schutz für den Euro kann Bundeskanzlerin Angela Merkel einen ersten Erfolg verbuchen. Der EU-Gipfel wollte am Donnerstag in Brüssel den ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy beauftragen, bis Dezember mögliche Vertragsänderungen auszuloten.

Am Ende soll ein dauerhaftes Rettungssystems für finanzschwache Eurostaaten stehen, berichteten Diplomaten. Zurückstecken musste die Kanzlerin bei ihrer Forderung, hartnäckigen Defizitsündern das Stimmrecht zu entziehen. Selbst unter konservativen «Chefs» fiel die Idee durch. Der Gipfel begann mit einem Eklat und handfesten Streit zwischen elf Mitgliedsländern - auch Deutschland - und dem Europaparlament um den EU-Haushalt 2011.

Dass ein ständiges Krisensystem von 2013 an kommen soll, war nach der ersten Arbeitssitzung nicht mehr umstritten. Der nach dem Beinahe-Bankrott von Griechenland beschlossene Rettungsschirm für alle Euro-Staaten im Wert von 750 Milliarden Euro läuft Ende Juni 2013 aus.

Deutschland und Frankreich pochen darauf, dass auch private Gläubiger wie Banken - und nicht nur die Steuerzahler - ihren Teil zur Entschuldung beitragen. Laut Entwurf der Abschlusserklärung wird diese Idee in die weiteren Arbeiten aufgenommen.

Bei einer Neuaufstellung eines Euro-Schutzschirms sind Änderungen des EU-Vertrags möglich, wie dies Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy fordern. Die beiden Staatenlenker stießen aber mit ihrer Idee Vorstoß nach einem Stimmrechtsentzug für chronische Defizitsünder auf massiven Widerstand, berichteten Diplomaten.

«Die Chefs wollen wissen, was die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen sind», sagte ein Diplomat zu den Vertragsänderungen. Die Gipfelrunde hatte keine Einwände gegen einen Bericht Van Rompuys zur Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes. Defizitsünder sollen künftig schneller und härter bestraft werden.

Unerwartet heftigen Ärger gab es um den EU-Haushalt des kommenden Jahres. Die Staats- und Regierungschefs von elf Staaten - darunter die Schwergewichte Großbritannien, Deutschland und Frankreich - lehnen die vom Europaparlament geforderte Erhöhung des Budgets um sechs Prozent auf gut 130 Milliarden Euro kategorisch ab.

In einem gemeinsamen Brief an Van Rompuy schrieben sie, diese Forderung sei angesichts der Haushaltsengpässe in den eigenen Staaten «besonders inakzeptabel». Der Rat dürfe nicht über die angebotene Erhöhung um 2,9 Prozent hinausgehen.

«Wir machen klar, dass wir nicht mehr als dies akzeptieren.» Der Schritt war auch deshalb ungewöhnlich, weil der britische Premier David Cameron Parlamentspräsident Jerzy Buzek in der Sitzung wegen des Budgets persönlich angriff.

Die deutsch-französische Forderung eines Stimmrechtsentzugs für Defizitsünder fand bei den Konservativen - dem Lager Sarkozys und Merkels- keine Mehrheit. Die Sozialdemokraten lehnten die Idee ohnehin strikt ab.

Merkel gab sich am Rande kämpferisch: «Ich werde das Thema auf der Tagesordnung halten.» Diplomaten sagten, über Stimmrechtsentzug sei in der Sitzung zunächst gar nicht gesprochen worden. Besonders viele kleine Staaten wie Luxemburg hatten dagegen Front gemacht. Diplomaten vermuten, dass Merkel und Sarkozy diese Höchststrafe für ein EU-Mitglied nur aus taktischen Gründen vorbrachten.

Bei den angepeilten Vertragsänderungen zeichnet sich «kleine Lösung» ab. Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt sagte: «Wir sollten sicherstellen, dass es eine sehr kleine Veränderung ist ohne Volksabstimmungen und all die anderen Dinge, die wir in der Vergangenheit gesehen haben.

Bericht Van-Rompuy-Gruppe zur Reform der EU-Wirtschaftsführung

Vorschläge EU-Kommission zur Reform des Euro-Stabilitätspaktes

EU / Gipfel
28.10.2010 · 22:59 Uhr
[3 Kommentare]
 
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