Traumstart für Grün-Rot in Stuttgart

Stuttgart (dpa) - Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann hat einen Traumstart hingelegt: Der Landtag in Stuttgart wählte den Grünen-Politiker im ersten Anlauf und mit Oppositionsstimmen zum Ministerpräsidenten.

Erstmals regiert damit ein Grüner ein Bundesland. Mit den Stimmen von Grün-Rot bestätigte der Landtag anschließend auch Kretschmanns Kabinettsmitglieder. Damit ist der historische Machtwechsel in Stuttgart nach fast sechs Jahrzehnten CDU-Dominanz perfekt.

Knapp sieben Wochen nach der Landtagswahl erhielt der frühere Grünen-Fraktionschef Kretschmann im Parlament 73 von 138 Stimmen. Da Grün-Rot nur 71 Abgeordnete hat, bekam der 62-Jährige mindestens zwei Stimmen aus dem schwarz-gelben Lager. «Ich nehme es als Auftrag, dass es nicht meine Aufgabe ist, zu polarisieren, sondern zusammenzuführen«, sagte er im SWR-Fernsehen. Für die Wahl waren mindestens 70 Ja-Stimmen nötig. 65 Abgeordnete stimmten mit Nein.

Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir sahen in der Wahl Kretschmanns ein neues Kapitel in der Geschichte der Grünen und der gesamten Bundesrepublik.

Kretschmann dankte «für das große Vertrauen des Hohen Hauses» und nahm die Wahl an. Anschließend leistete der gläubige Katholik seinen Amtseid. Er sprach dabei auch die Formel «so wahr mir Gott helfe». Der ehemalige Biologie- und Ethiklehrer übernahm das Amt von Stefan Mappus (CDU), der den Posten nur gut ein Jahr innehatte.

Bei der Bestätigung des Kabinetts im Landtag stimmten CDU und FDP geschlossen mit Nein. Zu den wichtigsten Ressortchefs gehören Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), der auch Vize-Regierungschef ist, sowie der Minister für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann (Grüne), der für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zuständig ist.

Die SPD übernimmt sechs und die Grünen fünf Ministerien. Die Grünen haben aber am Kabinettstisch eine Stimme mehr als die Sozialdemokraten, weil sie den Regierungschef, eine Staatssekretärin mit Kabinettsrang im Verkehrsministerium und eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung stellen. Die SPD stellt zudem den Bundesratsminister, der aber kein eigenes Ministerium hat.

Das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 ist der größte Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern. Die Grünen sind dagegen, die SPD dafür. Verkehrsminister Hermann will die Verantwortung für den Bau des Tiefbahnhofs nicht tragen. Sollte das Projekt nach dem Stresstest und der geplanten Volksabstimmung im Herbst doch durchgezogen werden, wolle er die Zuständigkeit dafür an ein SPD-geführtes Ministerium abgeben, sagte er der «taz» (Donnerstag). «Mein Ministerium wäre dann sicher nicht das ideale Haus, um Stuttgart 21 positiv zu begleiten. Das müssten dann andere machen.»

Bei CDU und FDP hieß es, es seien wohl Christdemokraten gewesen, die bei der Wahl für Kretschmann gestimmt hatten. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte der Nachrichtenagentur dpa: «Es gibt wahrscheinlich bei der CDU einige, die seit knapp 60 Jahren gewöhnt sind, bei Ministerpräsidenten-Wahlen mit Ja zu stimmen. Denen ist die Umstellung noch nicht so ganz gelungen.» Sein CDU-Kollege Peter Hauk meinte, auch in der Vergangenheit habe es mehrfach Stimmen aus der damaligen Opposition für CDU-Ministerpräsidenten gegeben.

Kurz vor seiner Wahl klärte Kretschmann eine letzte größere Personalie: Als Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung stellte er die Sozialwissenschaftlerin Gisela Erler vor. Die 65-Jährige ist die Tochter des prominenten SPD-Politikers Fritz Erler (1913-1967) aus den Gründungsjahren der Bundesrepublik.

Grün-Rot hatte bei der Landtagswahl am 27. März vier Sitze mehr im Parlament als die bisherigen Regierungsparteien CDU und FDP erobert. Die neue Regierung will unter anderem schnell aus der Atomkraft aussteigen und durchgreifende Bildungsreformen voranbringen. So sollen die Gemeinschaftsschule und flächendeckend die Ganztagsschule eingeführt werden. Um den Ausbau der Kinderbetreuung zu finanzieren, soll die Grunderwerbssteuer erhöht werden. Die Studiengebühren werden abgeschafft. Zugleich haben Kretschmann und Schmid erklärt, den Haushalt zu sanieren und die Schuldenbremse einzuhalten.

Regierung / Baden-Württemberg
12.05.2011 · 15:49 Uhr
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