Trauer in Kundus: «Der Tod begleitet uns Soldaten»
«Wir alle haben gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen», sagt der ISAF-Kommandeur für Nord-Afghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. «Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört.» Mit versteinerter Miene lauschen die Soldaten den Worten ihres Kommandeurs. Die Bundeswehrsoldaten tragen ihre Einsatzuniformen im bräunlichen Tarnmuster. Die Kameraden der Toten aus dem Seedorfer Fallschirmjägerbataillon tragen schwarze Armbinden. Auch afghanische Soldaten und ISAF-Einsatzkräfte anderer Nationen erweisen den drei gefallenen Deutschen die letzte Ehre. Eine fast gespenstische Ruhe liegt über dem Feldlager.
Die drei mit schwarz-rot-goldenen Fahnen bedeckten Särge waren zuvor in drei «Fuchs»-Transportpanzern durch das Lager gefahren worden. Die letzte Trauerfeier dieser Art fand in Kundus im vergangenen Sommer statt. Damals verlor die Bundeswehrtruppe in der nordafghanischen Provinz ebenfalls drei Kameraden. Der Schock sitzt auch diesmal wieder tief.
«Das ist uns allen sehr nahe gegangen», sagt der Bundeswehrsprecher in Kundus, Oberstleutnant Paul-Georg Weber. Jeder versuche nun, seinen eigenen Weg zu finden, damit zurechtzukommen. «Der eine weint vielleicht, der andere setzt sich still hin, der nächste liest etwas», sagt Weber. «Aber ich denke, das Wichtigste ist, miteinander zu sprechen.» Jeder, der nach Kundus komme, wisse um die Gefährlichkeit des Einsatzes. «Der Tod begleitet uns Soldaten.»
Der Trauerappell in Kundus war eigentlich als interne Feier der Bundeswehr vorgesehen. Unverhofft kamen allerdings prominente Gäste hinzu. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) verlängerte seine Afghanistan-Reise um einen Tag und flog am Morgen zusammen mit seiner kompletten Delegation vom Hauptquartier der ISAF im Norden in Masar- i-Scharif ins 150 Kilometer östlich gelegene Kundus. In einer kurzen Rede macht er den Soldaten Mut, ihren Auftrag in Afghanistan mit unverändertem Engagement weiterzuführen. «Die deutschen Soldatinnen und Soldaten lassen sich durch solch heimtückische Gewalt nicht beeinflussen», sagt Niebel, selbst Reserveoffizier bei den Fallschirmjägern. Die Taliban, die die deutschen Soldaten erschossen haben, nennt er «feige Mörder».
Nach der Trauerfeier treten die gefallenen Soldaten vom Flugfeld in Kundus ihre letzte Reise an. Dort stehen noch die amerikanischen Sanitätshubschrauber vom Typ Black Hawk, die bei der Bergung der Leichen und Verletzten von Kugeln der Taliban durchlöchert wurden. Die Särge werden in Hubschraubern ins usbekische Termes geflogen. Von dort aus geht es im VIP-Airbus «Konrad Adenauer» nach Deutschland. An Bord sind neben der Delegation von Minister Niebel auch vierzehn Angehörige des Zuges aus Seedorf, der von den Taliban eingekesselt wurde. Am Flughafen Köln/Bonn warten Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) und Angehörige der Toten.
In Kundus versuchen die 1200 stationierten deutschen Soldaten zum Alltag zurückzukehren. Spätestens Ostermontag geht ihr gefährlicher Einsatz weiter. An Aufgeben denkt in Kundus niemand. «Wir geben nicht klein bei. Wir werden weiter kämpfen. Wir werden gewinnen», sagt Brigadegeneral Leidenberger. Man wolle erreichen, dass die Menschen in Afghanistan ohne Angst leben. «Das wird uns auch gelingen, aber wir brauchen dafür Kraft und Stehvermögen und die Unterstützung der Heimat». Auch die Fallschirmjäger aus Seedorf werden nach Kundus zurückkehren.