Tödlicher Anschlag auf Assads Führungszirkel

Damaskus/Istanbul (dpa) - Blutiger Anschlag auf die engsten Vertrauten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad: Regimegegner haben bei einem Bombenattentat in Damaskus den Schwager des Präsidenten, Asef Schawkat, Verteidigungsminister Daud Radscheha sowie dessen Amtsvorgänger Hassan Turkomani getötet.

Das bestätigte das Regime in der immer heftiger umkämpften Hauptstadt. In einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur dpa bekannte sich die Freie Syrische Armee zu der Tat am Mittwoch. Angesichts der Ereignisse geriet das Gezerre um eine UN-Resolution zum Nebenschauplatz.

Schawkat war zuletzt stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte. Auch Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar soll den Angaben zufolge schwer verletzt sein. Hischam Bachtijar, dem Chef der Nationalen Sicherheit, habe die Explosion beide Beine abgerissen. In der Nationalen Sicherheitsbehörde fand gerade ein hochrangig besetztes Treffen des Krisenstabs statt, als die Bombe hochging. Die Detonation war auch im Präsidentenpalast zu hören.

Der Kommandeur der Freien Syrischen Armee berichtete am Telefon, der Sprengsatz sei in dem Gebäude versteckt gewesen. Wie mehrere Medien meldeten, bekannte sich auch die islamistische Gruppierung «Brigade des Islam» zu dem Attentat. Nach nicht offiziell bestätigten Informationen des Senders Al-Arabija soll auch der Chef der Ermittlungsabteilung im Allgemeinen Geheimdienst, Hafis Machluf, getötet worden sein. Zunächst hatte das staatliche Fernsehen gemeldet, ein Selbstmordattentäter hätte sich in die Luft gesprengt. Regimegegner sprachen von einer Autobombe.

Nur wenige Stunden nach dem Tod von Daud Radscheha meldeten staatliche Medien, dass General Fahd Dschasim al-Fredsch zum neuen Verteidigungsminister ernannt worden sei. Die regierungsamtliche Zeitung «Al-Thawra» verbreitete Durchhalteparolen: «Damaskus ist schwer in die Knie zu zwingen, selbst wenn sich die ganze Welt gegen diese Stadt verbünden sollte.»

In Damaskus wurde die Lage nach dem Bombenanschlag immer unübersichtlicher. Aktivisten meldeten Gefechte in mehreren Stadtteilen, vor allem im Süden der Stadt. In dem Viertel Al-Hadschar al-Aswad hätten Rebellen versucht, einen Stützpunkt der Streitkräfte zu stürmen. Anwohner berichteten, zahlreiche Familien seien aus Angst vor Militäroperationen oder Milizenterror aus den Vierteln Al-Kabun und Al-Midan geflohen. Nach der Einschätzung von Pentagon-Chef Leon Panetta geriet die Lage zunehmend «außer Kontrolle». Er sprach von einer «wirklichen Eskalation der Kämpfe».

Syrische Aktivisten verbreiteten in einem internen Forum, die Präsidentenmaschine sei vom Flughafen Messe in Damaskus gestartet und beriefen sich dabei auf Offiziere auf dem Militärflughafen. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite gab es dafür nicht. Ein Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC) gab sich in einem Interview mit der dpa siegesgewiss: «Der Sturz des Regimes von Baschar al-Assad ist in greifbare Nähe gerückt.»

Unter den Oppositionellen machte sich aber auch die Angst breit, das Regime könne aus Rache in den Protesthochburgen in Damaskus Giftgas einsetzen. In den Zirkeln der Regimegegner wurde darüber diskutiert, ob man nicht mit Holzkohle und Plastiktüten Schutzmasken herstellen könnte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Lage den UN-Sicherheitsrat auf, sich jetzt schnell auf eine Resolution zu einigen. Über den Entwurf des Westens, der ein Zehn-Tage-Ultimatum und Wirtschaftssanktionen vorsieht, sollte ursprünglich am Mittwochabend abgestimmt werden. Nur wenige Stunden vor dem Beginn beantragten die westlichen Länder allerdings eine Verschiebung auf Donnerstag, um Spielraum für neue Verhandlungen zu schaffen, wie es von westlichen Diplomaten hieß.

Vetomacht Russland hatte schon vorher eine «harte Linie» - sprich: Blockade - angekündigt. «In einem Moment, wo eine Schlacht um die syrische Hauptstadt tobt, wäre die Annahme von Sanktionen eine einseitige Unterstützung von Revolutionären», unterstrich der russische Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch ein weiteres Mal. Die westliche Syrien-Politik kritisierte er als «Sackgasse». China steht in der Syrienfrage traditionell an der Seite Russlands.

Die USA weiteten unterdessen ihre Sanktionen gegen Syrien im Alleingang aus. Nach Angaben des Finanzministeriums in Washington betreffen die Strafmaßnahmen hochrangige Regierungsbeamte und sechs Firmen. US-Bürgern ist demnach künftig untersagt, mit ihnen Geschäfte zu betreiben, und etwaige Vermögen in den USA werden eingefroren.

Russland will die UN-Beobachtermission, die am Freitag ausläuft, dagegen unverändert verlängern. Aus Diplomatenkreisen in Damaskus hieß es, der Leiter der Mission, der norwegische General Robert Mood, werde Syrien an diesem Donnerstag verlassen.

In Syrien zählten die Regimegegner bis zum Abend 77 Tote. Ein Mitglied des Führungskaders der oppositionellen Muslimbruderschaft sagte der dpa, die Menschen setzten keine Hoffnung mehr in die internationale Gemeinschaft: «Sie haben die Sache jetzt selbst in die Hand genommen.»

Konflikte / Syrien
18.07.2012 · 22:16 Uhr
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