Scharfe Kritik an Westerwelle im Hartz-IV-Streit

Berlin (dpa) - Die von der FDP geforderten Steuersenkungen sorgen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV- Regelsätzen auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition für Unmut. CSU-Chef Horst Seehofer nannte die bisherigen Regelungen «eines Sozialstaats unwürdig».

Er gehe bei einer Neuregelung von höheren Kosten für Hartz IV aus. «Wir dürfen da nicht nur nach Kassenlage entscheiden», sagte Seehofer der «Süddeutschen Zeitung» (Donnerstag) und sprach sich so indirekt gegen Steuersenkungen aus.

Vize-Kanzler Guido Westerwelle (FDP) beharrte dagegen darauf. Die Diskussion über das Karlsruher Urteil trage «sozialistische Züge», kritisierte der FDP-Vorsitzende in einem Beitrag für die Zeitung «Die Welt» (Donnerstag). «Wie in einem pawlowschen Reflex wird gerufen, jetzt könne es erst recht keine Entlastung der Bürger mehr geben, das Geld brauche man für höhere Hartz-IV-Sätze.» Dafür gab es heftige Kritik von SPD, Linkspartei, Grünen und Gewerkschaften.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte «Spiegel Online»: «Westerwelle scheint endgültig wieder in seine Rolle als Schreihals aus Oppositionszeiten zurückgefallen zu sein.» Der FDP-Chef habe «am Staat gezündelt, indem er überall Steuergeschenke an seine Klientel verteilt». Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schaue all dem tatenlos zu.

Die SPD warnte Schwarz-Gelb vor einer Senkung des Hartz-IV- Regelsatzes von 359 Euro monatlich. «Union und FDP dürfen ihre unverantwortlichen Steuergeschenke nicht durch Kürzungen bei Hartz IV finanzieren», sagte SPD-Bundesvize Manuela Schwesig der Deutschen Presse-Agentur dpa. Damit würde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts missachtet.

Links-Fraktionsvize Klaus Ernst forderte, die Kanzlerin müsse ihren Stellvertreter «in die Schranken weisen und sich ernsthaft überlegen, ob der oberste soziale Brandstifter der Nation für ihre Regierung noch tragbar ist». Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der dpa: «Es ist geradezu ein Skandal, dass die Bundesregierung mit ihrer Kakophonie nach dem Urteil den Eindruck erweckt, dass die Rechte der Hartz-IV-Bezieher faktisch in Abrede gestellt werden.»

Für den DGB tragen Westerwelles «Anfeindungen» gegenüber Hartz-IV- Empfängern «verfassungswidrige Züge». Westerwelle stigmatisiere die Betroffenen, «indem er ihnen pauschal Faulheit und Bequemlichkeit vorwirft, statt dafür zu sorgen, dass den Menschen Hartz IV erspart bleibt», sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der dpa. 28 Prozent der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher gingen regelmäßiger Arbeit nach, «ohne sich aus dem Teufelkreis Hartz IV befreien zu können».

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte, das heutige Fürsorgesystem schaffe Anreize zum Verharren mit einem geringen legalen Hinzuverdienst. Viele stockten mit einem nur geringem Arbeitsaufwand die staatliche Leistung um «ein großzügiges Taschengeld» auf. Der BDA forderte daher, den «Hinzuverdienst» voll auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen.

Westerwelle argumentierte, wer «anstrengungslosen Wohlstand» verspreche, lade zu «spätrömischer Dekadenz ein». Er riet, statt über die Frage höherer staatliche Leistungen zu diskutieren die Leistungen des Steuerzahlers in den Mittelpunkt zu rücken. FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies die «teils reflex- und teils flegelhaften Reaktionen» auf Westerwelles Äußerungen zurück. Diese zeigten, «dass Deutschland seinen inneren Kompass zu verlieren und sein Kraftzentrum in der Mitte der Gesellschaft zu beschädigen droht».

Seehofer will nach dem Hartz-IV-Urteil das Arbeitslosengeld II weitgehend neu regeln. So sollten die Zahlungen zum Beispiel an die regional unterschiedlichen Lebenshaltungskosten angepasst werden können. Auch müsse es möglich sein, Hartz-IV-Empfängern zu einmaligen Anschaffungen, wie beim Kauf einer Waschmaschine, Einmalzahlungen zukommen zu lassen. Gegen Gutscheine habe er «große Vorbehalte». Der CSU-Sozialexperte Max Straubinger sprach sich aber dafür aus.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) lehnt die regionale Staffelung von Hartz-IV-Sätzen ab. «Regionalisierte Sätze würden aus meiner Sicht ländliche Räume weiter ausbluten lassen», sagte BA- Vorstandsmitglied Heinrich Alt der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Arbeitsmarkt / Soziales / Kinder
11.02.2010 · 18:04 Uhr
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