Reaktionen: Gipfel-Ergebnis sorgt für Frust

Berlin (dpa) - Das magere Ergebnis des UN-Klimagipfels von Kopenhagen hat bei Politikern, Umweltschützern, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern großen Frust hervorgerufen. Selbst die Industrie ist unzufrieden.

«Ich finde, es ist eine Schande, wie die Staats- und Regierungschefs die Zukunft ihrer eigenen Kinder und Enkelkinder aufs Spiel setzen», sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel am Samstag in Magdeburg. «International ist das eine mittlere Katastrophe», kritisierte der frühere Umweltminister. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, sie sei fassungslos und wütend. «Kopenhagen ist ein gescheiterter Gipfel.»

Die 193 Staats- und Regierungschefs hätten sich eines der schwersten Verbrechen schuldig gemacht, «nämlich des Verrats an der Zukunft der Kinder unserer Erde», so Roth. Sollte die EU nicht sofort einen Sondergipfel einberufen und zumindest für Europa ein verbindliches Klimaabkommen auf den Weg bringen, müsse die Zivilgesellschaft reagieren und eine Million Unterschriften für ein europäisches Bürgerbegehren sammeln. Mit dem seit Dezember geltenden EU-Reformvertrag von Lissabon ist das möglich. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte der «Welt am Sonntag»: «Dass der Klimagipfel jetzt kein Ergebnis beschlossen hat, ist enttäuschend. Darum darf man nicht herumreden.»

Das Plenum des Gipfels hatte eine von 25 führenden Staaten ausgehandelte Vereinbarung, die unter anderem die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius vorsieht, aber keine klaren Reduktionsziele für den Kohlendioxid-Ausstoß nennt, lediglich anerkannt. Damit gibt es weder ein rechtlich verbindliches noch ein politisch bindendes Abkommen. Naturschutzbund-Präsident Olaf Tschimpke sprach von einem «faulen Kompromiss». Es handele sich nur um eine äußerst schwache Absichtserklärung.

«Die Welt hat auf Kopenhagen geschaut. Die Welt wurde bitter enttäuscht», sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger. «Das Kopenhagen-Ergebnis ist eine Ohrfeige für das Weltklima.» Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, sagte: «Die Welt ist damit eher auf einem Pfad in Richtung 3,5 Grad Temperaturanstieg als 2 oder gar 1,5 Grad.» Das globalisierungskritische Netzwerk attac nannte das Ergebnis eine «reine Farce». «Kopenhagen war höchstens in Bezug auf das Ausmaß seines Scheiterns ein historischer Gipfel.»

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zeigte sich bitter enttäuscht: «Der Klimawandel ist eine ethische Herausforderung, der sich alle Staaten in Solidarität und Verantwortung für das globale Gemeinwohl stellen müssen.» Nach Angaben von «Brot für die Welt» steht die Klimapolitik vor einem Scherbenhaufen. Das katholische Hilfswerk Misereor nannte den Ausgang der Konferenz «ein Armutszeugnis für die Politik, eine Schande für die Industrieländer und eine Katastrophe für die Menschen in den Entwicklungsländern».

Der leitende Klimawissenschaftler am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, Peter Lemke, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: «Ohne abgestimmte Ziele für die Treibhausgas-Reduzierung ist die Erderwärmung nicht auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.» Damit der Klimaschutz eine politische Chance bekomme, müsse Europa vor dem nächsten Gipfel Ende 2010 in Mexiko vorpreschen und die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 30 bis 40 Prozent verringern. Bis 2050 müsse die CO2-Emission pro Kopf auf zwei bis drei Tonnen pro Jahr sinken. Zum Vergleich: «Westeuropäer emittieren gegenwärtig etwa 10 Tonnen pro Jahr und die Amerikaner 20 Tonnen», sagte Lemke, der am Weltklimabericht mitgewirkt hat.

Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Gerd Billen, forderte, Deutschland müsse nun vorpreschen und ein möglichst CO2-freies Wohlstandsmodells mit national verbindlichen Zielen realisieren. «Die Verbraucher weltweit müssen ausbaden, dass sich die über 190 Staaten in Kopenhagen nicht auf eine verbindliche Reduktion der Treibhausgase über 2012 hinaus verständigt haben.»

Naturschutzbund-Präsident Olaf Tschimpke sprach von einem «faulen Kompromiss». Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger sagte: «Die Welt hat auf Kopenhagen geschaut. Die Welt wurde bitter enttäuscht.» Man habe kostbare Zeit verloren, die den Kampf gegen den Klimawandel weiter erschwere, teilte der WWF mit. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac nannte das Ergebnis eine «reine Farce». «Kopenhagen war höchstens in Bezug auf das Ausmaß seines Scheiterns ein historischer Gipfel», sagte Klimaexperte Chris Methmann.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) befürchtet durch Kopenhagen Wettbewerbsnachteile. «Für unsere Unternehmen heißt das, dass die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen in weite Ferne gerückt ist», sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Die Gefahr von Arbeitsplatz-Verlagerungen in Länder mit laschen Klimaschutzauflagen bleibe akut.

UN / Klima / Gipfel / Reaktionen
20.12.2009 · 16:39 Uhr
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