Oppositionsplan für Zeit nach Assad
Berlin/Damaskus (dpa) - Die Oppositionsfront Syriens festigt sich: Anderthalb Jahre nach Beginn des Aufstands gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad gibt es aus der Opposition einen ersten konkreten Plan für die Zeit nach seinem Ende.
Eine Gruppe von 45 Assad-Gegnern legte dazu am Dienstag in Berlin ein Papier vor. Darin wird ein kompletter Neubeginn auf der Grundlage von Demokratie und allgemeinen Menschenrechten versprochen. Zugleich verlangten die Oppositionellen ein militärisches Eingreifen der internationalen Gemeinschaft.
Bei ihrem Besuch in Peking wollte Kanzlerin Angela Merkel Ende der Woche offen über die Lage in Syrien sprechen, verlautete aus deutschen Delegationskreisen. Sie hoffe auf ein Ende der Blockade des UN-Sicherheitsrates durch Peking. Ein erster Schritt könne ein Einvernehmen in humanitären Fragen sein. Dass sich China finanziell für die syrischen Flüchtlinge engagiere, sei ein positives Zeichen.
Angesichts des zunehmenden Flüchtlingsstroms aus Syrien wollte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu diese Woche bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrates die schwierige Lage seines Landes schildern. Davutoglu hatte internationale Hilfe für die Versorgung von Flüchtlingen und Vorbereitungen für eine Schutzzone auf syrischer Seite der Grenze gefordert. In der Türkei sind bisher etwa 80 000 registrierte Flüchtlinge aus Syrien. Seit einigen Tagen dämmt die Türkei die Flüchtlingsstrom mit schärferen Grenzkontrollen ein.
Der Plan der syrischen Opposition mit dem Titel «The Day After» («Der Tag danach») wurde seit Januar bei insgesamt sechs Treffen ausgearbeitet, die unter dem Dach der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin stattfanden.
Beteiligt waren das wichtigste Oppositionsbündnis, der Syrische Nationalrat (SNC), aber auch Kräfte aus unterschiedlichen politischen, ethnischen und religiösen Lagern. Dazu gehörten auch Vertreter der islamistischen Muslimbrüder. Mit dem Plan wollen die Assad-Gegner auch dem Vorwurf der Zerstrittenheit entgegentreten, dem sich Syriens Opposition immer wieder ausgesetzt sieht.
Der Sprecher der Gruppe, der Exil-Syrer Amr al-Azm, sagte: «Unser Ziel ist es, eine Übergangsregierung vorzubereiten.» Gleich nach einem Ende Assads sollen eine verfassunggebende Versammlung eingesetzt und die berüchtigten Geheimgefängnisse aufgelöst werden. Um Racheakte zu verhindern, soll auch sofort eine Übergangsjustiz entstehen. Wörtlich heißt es in dem Papier: «Aus einem Staat, der in Willkürherrschaft von Einzelnen regiert wird, muss in Syrien ein Rechtsstaat werden.»
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Einigung auf ein gemeinsames Papier als «sehr ermutigendes Signal». «Das sind wichtige Denkanstöße für einen demokratischen Neubeginn». Die Bundesregierung war von Anfang an über die Treffen informiert, die aus Sorge vor dem syrischen Geheimdienst geheim gehalten wurden.
Die Oppositionellen nutzten die Vorstellung der Studie, um von der internationalen Gemeinschaft militärische Unterstützung zu verlangen. «Wir brauchen ein bisschen mehr als nur Worte», sagte Azm. «Wir benötigen die Mittel, um das syrische Regime daran zu hindern, sein eigenes Volk zu töten.»
In Syrien selbst bereiten die wenigen Oppositionsgruppen, die vom Regime geduldet werden, eine «Konferenz zur Rettung Syriens» vor. Ziel des Treffens am 12. September sei ein «grundsätzlicher Wandel des aktuellen Regimes mit friedlichen Mitteln und ohne ausländische Einmischung», erklärten die Organisatoren am Dienstag in Damaskus. An der Konferenz wollen sich mehrere kurdische Parteien beteiligen sowie das Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC).
Ein französischer Vorstoß, die syrische Opposition zur schnellen Bildung einer Oppositionsregierung aufzufordern, wurde von den USA mit Zurückhaltung aufgenommen. «Wir möchten sichergehen, dass ein solcher Schritt auf einer soliden demokratischen Grundlage erfolgt», sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Montagabend (Ortszeit) in Washington. Die USA befürchten, dass auch syrische Extremisten an die Macht gelangen. Frankreichs Präsident François Hollande hatte Syriens Opposition in Aussicht gestellt, eine provisorische Regierung anzuerkennen. Syrische Oppositionelle hatten sich zuvor bereits gegen die Gründung einer Übergangsregierung ausgesprochen.
Die EU reagierte ausweichend auf den Vorstoß aus Paris. «Wir haben immer gesagt, dass die EU nicht Staaten oder Regierungen anerkennt, das ist eine bilaterale Sache der (EU-)Mitgliedstaaten», sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel.
Im Bürgerkrieg setzt das syrische Regime inzwischen immer stärker auf Einsätze seiner Luftwaffe. Bei Luftangriffen mit Hubschraubern und Kampfjets auf Dörfer in der syrischen Provinz Idlib sollen am Dienstag 23 Menschen getötet worden sein. Insgesamt starben in Syrien am Dienstag nach Informationen von Aktivisten und Augenzeugen über 90 Menschen. Aktivisten veröffentlichten Videoaufnahmen aus dem Dorf Kafr Nabl in Idlib, die zerstörte Gebäude und brennende Autos zeigen.
Auch aus Damaskus wurden Kämpfe gemeldet. Tausende von Menschen verließen nach Angaben von Aktivisten nach einem Angriff von Regierungstruppen die Ortschaft Kafr Batna nordöstlich von Damaskus.