Missbrauchs-Skandal weitet sich aus

Hamburg (dpa) - Der Missbrauchs-Skandal an deutschen Jesuiten-Schulen nimmt immer größere Ausmaße an. Knapp zehn Tage nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle bieten jedoch nur wenige Bistümer den möglichen Opfern offensiv ihre Hilfe an.

Das ergab eine dpa-Auswertung der Homepages von allen 27 Bistümern und Erzbistümern am Samstag: Nur fünf von ihnen haben eine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen auf ihrer Startseite ins Netz gestellt.

Am Berliner Canisius-Kolleg steige die Zahl der Betroffenen von Tag zu Tag, berichtete die «Berliner Morgenpost» unter Berufung auf die Anwältin Ursula Raue, die vom Jesuitenorden mit der Untersuchung der Fälle beauftragt wurde. «Insgesamt dürften es jetzt um die 30 Opfer sein», zitierte das Blatt die Anwältin. Bislang waren erst die Fälle von 22 Kindern bekannt, die in den 70er und 80er Jahren an dem katholischen Elite-Gymnasium sexuell missbraucht wurden.

Das Erzbistum Berlin gehört zu den wenigen Diözesen, die im Internet aktiv auf die Affäre eingehen. Auch das Bistum Hildesheim und das Erzbistum Hamburg, die ebenfalls direkt betroffen sind, äußern sich auf den Startseiten ihrer Homepages zu dem Skandal. Das Bistum Osnabrück zitiert den dortigen Generalvikar Theo Paul: «Mit Betroffenheit hat das Bistum Osnabrück auf die jetzt bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche reagiert. Dadurch sei ein großer Vertrauensbruch entstanden.»

Mit den Stellungnahmen verlinkten diese Seiten sofort zu den offiziellen Ansprechpartnern der Bistümer für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Diese Stellen waren 2002 nach einer neuen Leitlinie der Deutschen Bischofskonferenz in allen Bistümern eingerichtet worden. In den vergangenen zehn Tagen sind Missbrauchs- Fälle von allen drei deutschen Jesuiten-Gymnasien und einer ehemaligen Ordensschule bekanntgeworden.

Auf den Internetseiten vieler Bistümer waren die Ansprechpartner nur schwer zu finden: Häufig mussten mehrere Untermenüs angesteuert werden. Auch waren die Stellen nicht einheitlich zugeordnet. Alle Bistümer hatten aber Ansprechpartner für Opfer eingesetzt. Häufig waren dies Ärzte oder Mitarbeiter von Beratungsstellen, oft indes auch Geistliche wie Domkapitulare, Generalvikare oder Prälaten.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» zufolge sind fast 100 Mitarbeiter der katholischen Kirche in den vergangenen 15 Jahren unter Missbrauchsverdacht geraten. Eine Umfrage bei allen 27 deutschen Bistümern habe ergeben, «dass seit 1995 mindestens 94 Kleriker und Laien unter Missbrauchsverdacht geraten sind», berichtete das Hamburger Magazin am Samstag vorab.

Trotz des Skandals hält Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) wenig von einem speziellen Missbrauchs-Beauftragten für Berlin. «Dieser Bereich ist so sensibel, dass er nicht durch Formalien oder die Einsetzung eines Beauftragten regelbar ist», sagte Zöllner dem «Tagesspiegel». Er neige eher zur Einsetzung von Ansprechpartnern an den einzelnen Schulen, «weil das persönliche Vertrauensverhältnis in diesem Kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt».

Die Bildungsverwaltung hat nach Zöllners Worten bereits seit zwei Wochen Kenntnis von den Missbrauchsfällen an der Berliner Jesuiten- Schule. Die Schulaufsicht sei am 22. Januar zum ersten Mal durch die Leitung des Canisius-Kollegs über die Vorfälle informiert worden, berichtete der Senator. Öffentlich bekannt wurde der Skandal erst sechs Tage später nach einem Brief der Schulleitung an etwa 600 ehemalige Schüler. Inzwischen sind Fälle von allen drei deutschen Jesuiten-Gymnasien und einer ehemaligen Ordensschule bekannt.

Manfred von Richthofen, der lange Präsident des Deutschen Sportbundes war und einst am Canisius-Kolleg unterrichtete, sagte der tageszeitung «B.Z.», viele Patres seien durch ihre kirchliche Ausbildung «ein wenig verklemmt» gewesen. In den 60er Jahren, als er dort arbeitete, habe er von Missbrauchsfällen nichts mitbekommen. Eine mögliche «Pestbeule» seien aber die freiwilligen Nachmittags- Aktivitäten der Marianischen Congregation gewesen: «Das war eine abgeschlossene Gruppe, zu denen auch die Patres gehörten, von denen wir jetzt die schlimmen Geschichten hören.»

Kriminalität / Kirchen / Schulen
06.02.2010 · 20:44 Uhr
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