Kojima über OD: Das Spiel soll „völlig anders“ und „spaltend“ sein
Hideo Kojima wäre nicht Hideo Kojima, wenn er nicht, nachdem sich der Staub von Death Stranding 2: On the Beach gelegt hat, schon wieder die Grenzen des Vorstellbaren ausloten würde. Sein nächstes Projekt, das kryptisch betitelte Horror-Spiel OD, wirft bereits jetzt längere und düsterere Schatten als die meisten fertigen Titel. In einem aufschlussreichen Gespräch hat der exzentrische Maestro nun eine Bombe platzen lassen, die weniger mit dem Spiel selbst zu tun hat, sondern vielmehr mit seiner Philosophie dahinter: Es ist ihm vollkommen einerlei, wie OD zum Launch bewertet wird. Ein schallender Mittelfinger in Richtung der schnelllebigen Metacritic-Kultur und ein Bekenntnis zur Kunstform Videospiel.
Ein Denkmal für die Ewigkeit, kein Snack für den Moment
In einer Branche, die von Quartalszahlen, Day-One-Patches und dem flüchtigen Applaus des Moments regiert wird, schlägt Kojima einen gänzlich anderen, fast schon anachronistisch anmutenden Kurs ein. Er denkt nicht in Verkaufszahlen, sondern in Dekaden. „Die wahre Bewertung kommt später – in 10 oder 20 Jahren“, so der Visionär. Diese Aussage ist mehr als nur exzentrisches Gerede; es ist ein Manifest. Kojima erschafft kein Produkt, das kurzfristig gefallen soll. Er zimmert an einem künstlerischen Testament, dessen wahrer Wert und dessen kulturelle Relevanz sich erst im Spiegel der Zeit offenbaren sollen. Während er zugibt, jeden Tweet und jedes YouTube-Video zum Release verschlingen zu werden, dient ihm dies nicht zur Bestätigung, sondern als soziologische Studie. Er will nicht wissen, ob sein Werk gefällt, sondern wie es die Geister scheidet.
„Völlig anders“: Ein Sprung ins kalte, digitale Nichts
Doch was ist OD überhaupt? Abseits der Tatsache, dass es sich um ein Horror-Erlebnis handelt, bleibt das Projekt ein chiffriertes Mysterium. Kojima selbst beschreibt es als „etwas völlig anderes“, eine Kreation, die so radikal sein wird, dass sie die Spielerschaft unweigerlich spalten wird: „Die Leute werden es entweder lieben oder hassen.“ Es ist eine kalkulierte Provokation. Die technischen Eckpfeiler lassen das Ausmaß seiner Ambitionen erahnen: ein Xbox-exklusives Horror-Erlebnis, das auf der potenten Unreal Engine 5 aufbaut und mithilfe von MetaHuman-Technologie und Microsofts Cloud-Infrastruktur die Grenzen zwischen Spiel und… ja, und was eigentlich? … verschwimmen lassen soll. Die Cloud ist hier wahrscheinlich mehr als nur ein Server; sie könnte der Schlüssel zu einer neuen Form von interaktivem, kollektivem Grauen sein.
Die kalkulierte Spaltung als Markenzeichen
Diese bewusste Inkaufnahme einer Kontroverse ist kein Novum für Kojima. Von den subversiven erzählerischen Twists in Metal Gear Solid 2 bis hin zur meditativen und für viele sperrigen Natur von Death Stranding – der Mann hat noch nie den einfachen Weg oder den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht. Sein kreativer Kompass ist nicht auf allgemeine Gefälligkeit, sondern auf maximale Wirkung geeicht. OD scheint die logische Konsequenz dieses Weges zu sein: ein kompromissloses Werk, das den Spieler nicht an die Hand nimmt, sondern ihn herausfordert, verstört und am Ende vielleicht sogar verändert zurücklässt. Es ist der mutige Versuch, ein digitales Artefakt zu schaffen, über das man auch in 20 Jahren noch leidenschaftlich streiten wird.


