Karsai will auf Taliban zugehen

Kabul (dpa) - Mit einem Versöhnungsangebot an die Taliban hat der umstrittene afghanische Präsident Hamid Karsai seine zweite Amtszeit begonnen.

In seiner Antrittsrede kündigte der Regierungschef am Donnerstag die Einberufung einer sogenannten Loja Dschirga zur Versöhnung mit den Aufständischen an, ohne ein Datum zu nennen. Nach 30 Jahren Krieg solle die Große Ratsversammlung Afghanistan Frieden bringen, sagte Karsai nach seiner Vereidigung. Die Taliban äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorstoß.

Die Loja Dschirga ist laut Verfassung «die höchste Manifestation des Willens des afghanischen Volkes». Bislang lehnen die Aufständischen Verhandlungen vor einem Abzug der ausländischen Truppen ab.

Karsai sagte, die afghanischen Sicherheitskräfte müssten in den kommenden Jahren schrittweise die Verantwortung von den ausländischen Truppen übernehmen. «Ich hoffe, dass die afghanischen Kräfte innerhalb der nächsten fünf Jahre in der Lage sein werden, die Führung dabei zu übernehmen, Sicherheit und Stabilität im Land zu wahren.» Unter dem Beifall der nach Angaben des Palasts fast 1000 Ehrengäste aus dem In- und Ausland betonte Karsai, er wolle in seinem künftigen Kabinett kompetente Experten-Minister einsetzen. Unter wachsendem internationalem Druck kündigte der 51-Jährige außerdem an, die Korruption im Lande anzugehen.

Die Vereidigung wurde von zwei Selbstmordanschlägen im Süden des Landes überschattet. Nach Angaben der Polizei und der US-Armee starben dabei zehn Zivilisten und zwei amerikanische Soldaten. In Kabul waren die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft worden. In der Hauptstadt kam es nicht zu Zwischenfällen.

Die Islamische Republik Afghanistan werde die nationale Aussöhnung ganz oben auf die Tagesordnung setzen, sagte Karsai. «Wir heißen all jene Landsleute willkommen, die keine Verbindungen zu internationalen Terror-Netzwerken haben, die ein friedliches Leben im Licht unserer Verfassung führen wollen und die in ihr Zuhause zurückkehren wollen», sagte er. «Um unserem Land bald Frieden zu bringen, werden wir die traditionelle Loja Dschirga des Landes berufen.» Karsai bat Saudi-Arabien, die Verhandlungen mit den Taliban weiterzuführen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Antrittsrede Karsais. «Das war eine Rede mit den richtigen Schwerpunkten, die unsere Erwartungen erfüllt», sagte er. «Wir werden Präsident Karsai beim Wort nehmen und setzen darauf, dass den richtigen Worten jetzt auch die richtigen Taten folgen.» Aus deutschen Diplomatenkreisen hieß es, der Zeitraum von fünf Jahren bis zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte decke sich mit den Erwartungen der Bundesregierung.

Westerwelle bekräftigte das Ziel, mittelfristig zu einem Zeitplan für den Abzug der Bundeswehr zu kommen. «In diesen nächsten vier Jahren müssen wir mit der selbst tragenden Sicherheit in Afghanistan so weit vorankommen, dass auch eine Übergabe in Verantwortung erfolgen kann», sagte Westerwelle. «Wir wollen in Afghanistan nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag bleiben, auf ewig und drei Tage.»

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte vor der Vereidigung Karsais, die afghanische Regierung habe bislang «nicht annähernd genug unternommen, um die Ernsthaftigkeit ihrer Absicht zu demonstrieren, Korruption anzugehen». Die «New York Times» berichtete, US-Präsident Barack Obama habe den Druck auf Karsai verstärkt. Obama verlange messbare Ergebnisse im Kampf gegen Korruption. Clinton habe Karsai vertraulich zu verstehen gegeben, dass zivile Hilfe künftig auch von Resultaten beim Aufbau der Streitkräfte und im Kampf gegen Vetternwirtschaft abhingen.

Karsai war nach einer von Betrug überschatteten Wahl vor drei Monaten Anfang November im Amt bestätigt worden. Nun forderte er seinen wichtigsten Herausforderer Abdullah Abdullah und die anderen Gegenkandidaten auf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Karsai leistete den Amtseid vor dem Obersten Richter des Landes, Abdul Salam Asimi. Als Karsais Vizepräsidenten wurden die beiden Kriegsherren Mohammad Kasim Fahim und Karim Chalili vereidigt.

Nach Abzug gefälschter Stimmen hatte Karsai eine absolute Mehrheit bei der Wahl am 20. August knapp verfehlt. Vor einer geplanten Stichwahl zog sich Karsais Herausforderer Abdullah aus der Abstimmung zurück, weil er erneuten Wahlbetrug befürchtete. Die umstrittene Wahlkommission sagte die Stichwahl daraufhin ab und erklärte Karsai auch ohne die von der Verfassung vorgeschriebene absolute Mehrheit zum Sieger.

An den Amtseinführung nahmen neben Westerwelle und Clinton unter anderem der britische Außenminister David Miliband und sein französischer Amtskollege Bernard Kouchner teil. Aus Islamabad reiste der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari an.

Die Feierlichkeiten in der afghanischen Hauptstadt fanden unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Kabuler Flughafen blieb für den gewöhnlichen Passagierverkehr geschlossen. Die Regierung rief für Kabul einen Feiertag aus und forderte die Menschen auf, zu Hause zu bleiben. Straßen wurden gesperrt. Die Vereinten Nationen verhängten für ihr ausländisches Personal eine Ausgangssperre.

Karsai regiert Afghanistan seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban Ende 2001. Er war zunächst Übergangspräsident und wurde im Herbst 2004 in der ersten freien Präsidentenwahl gewählt.

Konflikte / Afghanistan
19.11.2009 · 16:08 Uhr
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