Hintergrund: Wirtschafts- und Finanzreformen der EU

Brüssel (dpa) - Vor dem Euro-Sondergipfel am Freitag in Brüssel haben Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy Konsequenzen aus der griechischen Schuldenkrise gefordert.

Euro-Schuldensünder und Spekulanten sollen ausgebremst, marode Banken kontrolliert abgewickelt werden können. Ihre Forderungen gehen aber kaum über das hinaus, was unterwegs ist. Ein Überblick über die Wirtschafts- und Finanzreformen in Europa:

Üblicherweise legen EU-Währungskommissar Olli Rehn oder Binnenmarktkommissar Michel Barnier Gesetzesvorschläge vor; dann müssen mit den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament Kompromisse gefunden werden.

STABILITÄT IN DER EUROZONE Kommenden Mittwoch will Rehn konkrete Vorschläge für einen «Notfallmechanismus» vorlegen, wie Staaten mit schweren Finanzproblemen geholfen werden kann. So etwas gibt es für Euro-Länder bisher nicht. Außerdem will Rehn den Euro-Stabilitätspakt wieder verschärfen. Gerade bei Merkel und Sarkozy dürfte dies unangenehme Erinnerungen wecken; denn auf Drängen der damaligen Schuldensünder Deutschland und Frankreich war der Stabilitätspakt 2005 aufgeweicht worden. Auch dies ermöglichte erst das griechische Schuldendesaster.

Merkel und Sarkozy fordern außerdem eine «Ausdehnung der Überwachung auf (...) Ungleichgewichte». Dies hatte Merkel etwa im Rahmen der Gruppe der 20 stärksten Volkswirtschaften (G20) bisher abgelehnt, aus Angst vor Eingriffen in die Tarifautonomie in Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit. Ähnliches gilt für die Forderung nach einer «Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für den Euroraum». Besonders die von Sarkozy seit langem propagierte «Wirtschaftsregierung» ließ bis vor kurzem bei Merkel die Alarmglocken schrillen.

FINANZMARKTAUFSICHT Eigentlich sollte noch in diesem Jahr ein neues Überwachungs-System stehen, indem die bestehen EU-Ausschüsse für Banken, Versicherungen und Wertpapiere aufgewertet und vernetzt werden. Ein neuer Weisenrat soll drohende neue Finanzmarktkrisen rechtzeitig erkennen. Es gibt aber Streit zwischen Europaparlament und Mitgliedstaaten. So will das Europaparlament den neuen EU-Aufsehern besonders bei der Aufsicht grenzüberschreitend tätiger Großbanken wesentlich mehr Macht geben. Neben Großbritannien sind vor allem Deutschland und Frankreich auch aus Angst um ihre fiskalischen Hoheitsrechte gegen eine stärker zentralisierte Aufsicht auf EU-Ebene.

DERIVATE Binnenmarktkommissar Barnier hat längst angekündigt, im Juni einen Entwurf für eine EU-Richtlinie über Derivate vorzulegen. Kernbestandteil: Mehr Transparenz und Stabilität durch eine zwischengeschaltete Clearing-Stelle. Im Oktober will er eine gesonderte Initiative für ein Gesetz zu den sogenannten Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) vorlegen, besonders mit Blick auf das Problem der rein spekulativen Leerverkäufe auf Staatsschulden. Im dritten Quartal ist außerdem ein Vorschlag für die Neufassung der Richtlinie über Marktmissbrauch vorgesehen.

RATING-AGENTUREN Bereits im Juli 2009 hatten sich EU-Staaten und Parlament in erster Lesung auf einen neuen Rechtsrahmen für die Rating-Agenturen geeinigt. Die meisten EU-Staaten hatten bis dato keine Regeln, auf EU-Ebene gab es lediglich Vorschriften gegen Insider-Handel und Markt-Manipulation.

Die in der ersten Welle beschlossenen EU-Regeln müssen auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Die Verordnung muss im Dezember voll in Kraft gesetzt sein. Dann sollen Interessenkonflikte vermieden werden, etwa wenn Rating-Agenturen Kunden erst beraten und dann bewerten. Außerdem soll die Qualität der Methoden und Ratings verbessert und die Methodologie zudem offengelegt werden - bislang arbeiten die Agenturen im Geheimen. Barnier will nun in einem zweiten Schritt in den nächsten Wochen Vorschläge für eine auf EU-Ebene angesiedelte, zentralisierte Aufsicht über die Rating-Agenturen vorlegen. Er hat auch die Gründung einer eigenen, europäischen Agentur ins Gespräch gebracht - dazu äußern sich Merkel und Sarkozy aber nicht.

EUROSTAT Es ist nicht das erste Mal, dass Griechenland mit seinen Budgetzahlen trickst. Doch bislang widersetzten sich Mitgliedsländer wie Österreich jeglichen Versuchen, der Statistikbehörde Eurostat mehr Kontrollrechte zu gewähren. Auch Deutschland gab sich zurückhaltend. Das könnte sich jetzt ändern. In ihrem Brief forderten nun erstmals Merkel und Sarkozy, die entsprechenden Vorschläge der EU-Kommission müssten «so rasch wie möglich in Kraft treten».

EU / Gipfel / Finanzen / Griechenland
07.05.2010 · 22:50 Uhr
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