Haiti: Verzweiflung wächst, Hoffnung schwindet

Port-au-Prince (dpa) - «Willkommen im Kommissariat von Delmas» - Der Schriftzug ist das Einzige, was von der Polizeiwache in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince stehen geblieben ist. Das zweistöckige Gebäude war das bedeutendste Bauwerk im Stadtteil Delmas gewesen.

Was von der zweiten Etage geblieben ist, sind Aktenordner, Papierstapel, ein einsamer roter Bürostuhl. In den Trümmern suchen Anwohner und Polizisten in einem Wettlauf mit der Zeit nach Überlebenden. Noch gibt es Hoffnung, dass unter den Betonbrocken Menschen am Leben sind.

Zahlreiche Schaulustige beobachten die Bergungsarbeiten. Sie selbst haben bei dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,0, das Haiti am Dienstag erschütterte, all ihr Hab und Gut verloren. Ein Zuhause haben sie nicht mehr. Sie wagen es nicht, in den Ruinen beschädigter Häuser zu schlafen: die Gebäude könnten jederzeit einstürzen. Szenen wie an der Polizeiwache von Delmas sind fast überall in der Kapitale zu beobachten. Fast kein Gebäude blieb verschont. In Schätzungen wird schon von mehr als 100 000 Menschen gesprochen, die bei dem stärksten Beben seit Jahrzehnten in dem Karibikstaat ums Leben gekommen sind.

Die ersten 72 Stunden nach einem Erdbeben gelten als entscheidende Zeit für die Rettung von Menschenleben. Diese Frist ist fast abgelaufen. Freiwillige Helfer mobilisieren letzte Kräfte, um Trümmer beiseite zu räumen und nach Überlebenden zu suchen. Die einbrechende Nacht erschwert die Bergungsarbeiten, denn in Port-au- Prince fiel der Strom aus: die Stadt liegt in totaler Finsternis.

An der Polizeiwache im Delmas-Viertel werfen zwei - mit einem Notstromaggregat betriebene - Scheinwerfer ein schwaches Licht auf Tonnen von Trümmern und Beton. Darunter seien vermutlich etwa 100 Menschen verschüttet worden, berichtet der Chef des Kommissariats, Carl Henry Boucher, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er selbst hatte sich nur durch einen glücklichen Zufall in Sicherheit bringen können. Der Beamte hatte das Gebäude unmittelbar vor dem Beben verlassen, weil er im Freien einen Anruf auf seinem Handy beantworten wollte.

Mithilfe eines Baggers werden die Trümmer einer Wand entfernt. Darunter will jemand Hilfe-Rufe von Verschütteten vernommen haben. Boucher ist aber eher skeptisch. Er hat bei einer Inspektion der Trümmer keine Stimmen gehört. Der Kommissar befürchtet, dass die Berichte sich als Illusionen erweisen werden. Aber der Polizist will niemandem die Hoffnung auf ein Wunder nehmen, und deshalb fügt er rasch hinzu: «Ich will nichts bestätigen.»

Sein Blick fällt auf die Leichen von zwei seiner Beamten, die von Betonbrocken erschlagen wurden. Sie wurden noch nicht geborgen - die Suche nach Überlebenden hat Vorrang. «Das ist hart», seufzt der Chef der Polizeiwache. Felber Rabel, einer der freiwilligen Helfer bei den Bergungsarbeiten, beklagt: «Wir haben keine Maschinen, mit denen wir schwere Betonstücke anheben können. Bis der Bagger kam, mussten mir mit unseren bloßen Händen in den Trümmern graben.»

Die Verzweiflung wächst, je mehr Zeit vergeht und die internationale Hilfe auf sich warten lässt. Die Lieferung von Hilfsgütern ist stark eingeschränkt. Der Kontrollturm des Flughafens von Port-au-Prince wurde bei dem Beben beschädigt, so dass schwere Transportmaschinen Haiti nur mit Schwierigkeiten anfliegen können.

In der Bevölkerung macht sich zunehmend Unmut breit. «Präsident René Préval hat bislang nicht einmal den Notstand ausgerufen», empört sich eine junge Frau. Augenzeugen berichten, Bewohner der Stadt hätten aus Protest gegen ausbleibende Hilfen Straßenblockaden mit den Leichen von Erdbebenopfern errichtet. Trümmerberge, zerquetschte Autowracks, gefährlich in der Luft baumelnde Balkonteile - die Stadt bietet die Silhouette einer apokalyptischen Tragödie. Jede Straße, die nicht durch Trümmer blockiert ist, ist voll mit Menschen, die alles verloren haben. Ihnen blieb meist nur das nackte Leben.

Ein Hauptstädter begrüßt ankommende Helfer und Reporter mit einem bitteren Lächeln und der Frage: «Seid Ihr bereit, die Apokalypse zu sehen?» Im verarmten Haiti kam es schon häufiger vor, dass die Verzweiflung der Bürger in blinde Wut umschlug. Bisher aber ist die Mehrheit der Haitianer damit beschäftigt, in der Ruinenlandschaft nach Angehörigen und einem Lager für die Nacht zu suchen - meist unter freiem Himmel. Die Dunkelheit wird nur vom Sternenlicht unterbrochen; und den Kerzen der Überlebenden, die sich im Dunkeln versammeln, um die Toten zu betrauern und für Überlebende zu singen.

Erdbeben / Haiti
15.01.2010 · 23:12 Uhr
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