Grausame Verbrechen prägen Auftakt von Mladic-Prozess

Den Haag/Belgrad (dpa) - Bei seinen Landsleuten ist er immer noch ein Held. Doch die Anklage hat dem Serben-General Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal Völkermord und schwerste Verbrechen vorgehalten. Der hört regungslos zu und quittiert die schockierenden Details mit verächtlichen Gesten.

Die Anklage hielt dem 70-Jährigen am Mittwoch in Den Haag die grausamen Details von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Mord, Totschlag, Massenvergewaltigungen, unmenschliche Gefangenenlager, Terror und Vertreibungen habe der frühere Militärchef der bosnischen Serben (1992-1995) nur mit dem einzigen Ziel organisiert, Bosnien für die Serben zu erobern, sagte der Ankläger Dermot Groome.

Wie grausam Mladic und seine Gesinnungsgenossen vorgegangen waren, beschrieb der Staatsanwalt an «57 genau spezifizierten Verbrechen, für die der Angeklagte persönlich verantwortlich ist». Er berichtet von einer jungen Muslimin, die nach der Ermordung ihres Bruders von «mehr als 50 Männern» der Mladic-Truppe vergewaltigt wurde. Er beschrieb, wie Verwandte untereinander zu sexueller Gewalt gezwungen wurden. In den neun Gefangenenlagern, in denen unmenschliche Bedingungen herrschten, seien in ein einziges Zimmer bis zu 570 ausgemergelte Menschen zusammengepfercht worden «wie die Sardinen».

Mladic selbst, der im Anzug mit Krawatte im Gerichtssaal erschienen war, hörte den Anschuldigungen meist regungslos zu. Manchmal lachte er verächtlich, machte sich immer wieder Notizen. Einmal richtete er während der Anklageverlesung seinen Blick auf Munira Subasic, eine der prominentesten Opfervertreterinnen. Er fuhr sich dann mit dem Zeigefinger über den Hals, als deute er eine Enthauptung an.

Die Anklage berichtete von «ethnischen Säuberungen» in Kljuc in Westbosnien, wo 12 000 Muslime vertrieben wurden. Im ostbosnischen Foca seien 20 000 Muslime deportiert worden. Anhand von Landkarten zeigte der Staatsanwalt «eine dramatische Veränderung der Bevölkerung» zugunsten der Serben, nachdem «400 000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben» worden waren. Diese Verbrechen habe Mladic nach Darstellung in seinem Tagebuch mit dem «strategischen Ziel» eines Großserbiens gerechtfertigt.

Um das Riesenverfahren abzukürzen, konzentriert sich die Anklage auf besonders schwere Verbrechen wie das Massaker an bis zu 8 000 muslimischen Jungen und Männern im Juli 1995 im ostbosnischen Srebrenica oder die jahrelange Belagerung von Sarajevo mit über 11 500 Toten. «Sarajevo wird geteilt oder dem Erdboden gleichgemacht», wird Mladic zitiert. Durch den Dauer-Granatbeschuss habe er unter der Zivilbevölkerung «Panik und Terror» verbreitet. Mehr noch: «Mladic hat persönlich Menschen in Sarajevo erschossen als Sport».

Die Mladic-Truppen gingen gemeinsam mit Paramilitärs aus dem benachbarten Serbien nach dieser Darstellung immer gleich vor. Frauen und Kinder wurden deportiert, die wehrfähigen Männer entweder ermordet oder in Lagern in besonders gefährlichen Kampfzonen zur Arbeit gezwungen. Am Ende beschreibt der Staatsanwalt noch die «Geiselnahme von UN-Blauhelmen» im Frühjahr 1995 und ihren Missbrauch als «menschliche Schutzschilde» gegen NATO-Angriffe. Viele «Friedenssoldaten» seien in Munitionslagern angekettet worden.

Die Staatsanwaltschaft will 413 Zeugen aufbieten. Um das Verfahren abzukürzen, werden die meisten Augenzeugen nicht persönlich im Gerichtssaal erscheinen, vielmehr werden ihre Aussagen aus früheren Prozessen lediglich verlesen. Die Verteidigung und Mladic selbst wollen sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher äußern.

In Serbien, wo Mladic immer noch als Volksheld verehrt wird, wurde der Beginn des Prozesses von keiner TV-Anstalt übertragen.

UN / Justiz / Kriegsverbrechen / Bosnien
16.05.2012 · 14:13 Uhr
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