Drei deutsche Soldaten bei Kundus getötet

Kabul/Berlin (dpa) - Es war das folgenschwerste Gefecht für die Bundeswehr seit ihrem Bestehen: In Afghanistan sind bei heftigen Kämpfen mit Aufständischen am Freitag drei deutsche Soldaten getötet worden.

Fünf weitere Soldaten wurden in den stundenlangen Kämpfen mit radikal-islamischen Taliban im Unruhedistrikt Char Darah nahe des deutschen Feldlagers Kundus schwer verletzt. Das bestätigte der Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam der Nachrichtenagentur dpa. Damit erhöht sich die Zahl der in Afghanistan seit Beginn des Einsatzes Anfang 2002 gestorbenen deutschen Soldaten auf 39. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den «hinterhältigen Angriff» scharf.

Die deutschen Soldaten wurden nach dpa-Informationen von einer großen Zahl Taliban attackiert, etwa 100 Mann. Vier der verletzten Deutschen sollen sich nach Informationen von «Spiegel-Online» in kritischem Zustand befinden.

Die deutschen Soldaten waren zum Minensuchen ausgerückt. Die Bundeswehr führte ihren Einsatz mit afghanischen Soldaten und weiteren Angehörigen der internationalen Schutztruppe durch. Eine deutsche Patrouille sei zunächst von Taliban-Kämpfern beschossen worden, sagte der Distriktchef Abdul Wahid Omarchel der dpa. Dorfbewohner berichteten von zahlreichen zerstörten Häusern.

Drei deutsche Soldaten wurden erschossen. Als ein gepanzertes Bundeswehrfahrzeug, wahrscheinlich vom Typ Dingo, ausweichen wollte, fuhr es auf eine Sprengfalle. Dadurch wurden weitere Soldaten verletzt. Die Toten und Verletzten wurden geborgen und mit Hubschraubern ins Camp gebracht.

Erstmals seit Bestehen der Bundeswehr war im April 2009 ein deutscher Soldat im Gefecht getötet worden. Damals geriet eine Patrouille nahe Kundus in einen Hinterhalt. Andere starben in den vergangenen Jahren durch Selbstmord-Anschläge und Sprengfallen.

Char Darah gilt als gefährlichster der sechs Distrikte in der nordafghanischen Provinz Kundus. Von dort aus feuerten die Taliban in der Vergangenheit wiederholt Raketen auf das deutsche Lager ab. Im Norden Afghanistans sind derzeit etwa 4500 deutsche Soldaten stationiert.

Merkel (CDU) verurteilte den Angriff auf die Bundeswehr scharf. «Mit großer Bestürzung habe ich von dem verabscheuungswürdigen und hinterhältigen Angriff auf unsere Soldaten in Afghanistan gehört», hieß es am Freitag in einer Erklärung. Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) unterbricht wegen der Ereignisse in Afghanistan seinen Osterurlaub und wird nach Angaben seines Ministeriums früher nach Deutschland zurückkehren. «Mit großer Betroffenheit habe ich heute von den gefallenen und verwundeten deutschen Soldaten in Afghanistan erfahren müssen», hieß es in einer ersten schriftlichen Stellungnahme des Ministers. «Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist.»

Kanzlerin Merkel hatte Ende Januar vor der jüngsten Aufstockung des deutschen Kontingents auf bis zu 5350 Soldaten die deutsche Bevölkerung auf weitere Opfer eingestimmt. «Ja, der Einsatz fordert Menschenleben», sagte die Kanzlerin im Bundestag. Die internationale Gemeinschaft habe in Afghanistan eine Bewährungsprobe zu bestehen. Dabei gehe es um den Kampf gegen den Terror, die internationale Sicherheit und auch die Verteidigung der Menschenrechte.

Noch vor den jüngsten Gefechten bei Kundus nannte Ex- Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) die jahrelange Bewertung des Afghanistan-Einsatzes als Friedens- und Stabilisierungsmission eine «Lebenslüge» der Politik. In einer ZDF-Dokumentation, die in der kommenden Woche ausgestrahlt wird, spricht Rühe hier von einem «zentralen Versagen der großen Koalition». Sie habe der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit über die tatsächlichen Gefahren des Einsatzes gesagt. «Das Abenteuer Afghanistan muss beendet werden», forderte Rühe. Der Verteidigungsminister der großen Koalition, Peter Struck (SPD), räumt in dem Bericht ein, «dass das wirklich ein militärischer Kampfeinsatz ist, haben wir am Anfang nicht gesagt».

Massive Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr äußerte der Vorsitzende des Evangelischen Kirchenrats, Präses Nikolaus Schneider. «Der Konflikt in Afghanistan ist aus dem Ruder gelaufen», sagte der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem «Hamburger Abendblatt» (Samstag) noch vor den jüngsten Gefechten in der Region Kundus. Wie seine Vorgängerin Margot Käßmann meinte auch Schneider: «Was in Afghanistan passiert, ist Krieg.» Man müsse aufräumen mit der Selbsttäuschung, dass die Bundeswehr als eine Art Technisches Hilfswerk Brücken baut, Brunnen bohrt und Wasserleitungen legt.

Konflikte / Bundeswehr / Afghanistan
02.04.2010 · 21:49 Uhr
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