Deutschland steht hilflos vor seinen Gefallenen

Köln/Berlin (dpa) - Der Ort, an dem Deutschland seine toten Soldaten in Empfang nimmt, ist der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Wer kann schon sagen, wo er sich befindet? Selbst die wenigsten Kölner dürften wissen, dass die Maschinen mit den Toten immer auf dem Militärflughafen Köln-Wahn landen.

Der eingezäunte Stützpunkt ist einer der größten Arbeitgeber der Stadt, aber das ist fast niemandem bewusst. Es ist, als trüge die Bundeswehr Tarnfarben; sie macht sich unsichtbar.

Köln-Wahn markiert für viele Bundeswehr-Soldaten Beginn und Ende ihres Einsatzes in Afghanistan. Sie fliegen von dort ab und kommen dort auch wieder an. Manchmal herrschen im Hangar zur selben Zeit bange Aufbruchstimmung und ausgelassene Wiedersehensfreude.

Und dann sind es mit einem Mal Särge, die ankommen. In der riesigen, grauschwarzen Halle wirken sie winzig klein und verloren. Manchmal hält ein Wachbataillon der Bundeswehr die Totenwache, und die Militärkapelle spielt «Ich hatt' einen Kameraden». Am Ostersonntag standen wieder drei Särge hier - darin die Leichen der am Karfreitag bei Kundus getöteten deutschen Soldaten.

In solchen Momenten vermischt sich die Trauer bei manchem Zivilisten mit einer Spur des Unbehagens. Militärische Zeremonien, Symbole und Begriffe sind in dem Land, von dem der Zweite Weltkrieg ausging, noch immer belastet. Hinzu kommt: Anders als etwa Amerikaner und Briten unterscheiden die Deutschen nicht klar zwischen Kritik am Afghanistan-Krieg und Solidarität mit den Soldaten und ihren Familien. Das ist sicher ein weiterer Grund dafür, warum die Trauerfeiern hierzulande eher zurückhaltend ausfallen.

Immerhin sagte am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu, an diesem Freitag ins niedersächsische Selsingen zu kommen, wo in der St-Lamberti-Kirche die Särge der drei Toten vom Karfreitag aufgebahrt sein werden. Mehrere CDU- und SPD-Politiker hatten dies angemahnt: Die «Bild»-Zeitung verwies darauf, dass US-Präsident Barack Obama oder Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei solchen Gelegenheiten persönlich Flagge zeigten. In Deutschland dagegen war es bisher meist Sache des Verteidigungsministers.

Zuletzt gab Franz Josef Jung (CDU) im vergangenen Oktober in Fulda einem nur 24 Jahre alt gewordenen Fallschirmjäger das letzte Geleit. Er sprach von einem «verbrecherischen und hinterhältigen Anschlag» und hielt zugleich am deutschen Einsatz am Hindukusch fest: «Wir werden in unserem Engagement nicht nachlassen.» Im Moment der Trauer hilflos klingende Formulierungen wie diese dürften auch an diesem Freitag zu hören sein.

Andere westliche Demokratien inszenieren Trauerfeiern für Soldaten so, dass sie stark von Stolz auf die Leistungen und die Opferbereitschaft der Gefallenen geprägt sind. Dieser Stolz ist unabhängig davon, ob man den jeweiligen Krieg persönlich gutheißt.

Als 2005 und 2006 jede Woche viele amerikanische Soldaten im Irak getötet wurden, prangte daheim auf Millionen Autos der Aufkleber «Support our troops». Auch viele Leute, die den Irakkrieg ablehnten, hatten diesen Aufkleber. Und wenn man sie fragte, wie das denn zusammenpasse, reagierten sie verwundert: «Die Soldaten muss man doch in jedem Fall unterstützen, die tun nur ihre Pflicht», erhielt man zur Antwort. Genauso ist es in England: Soldaten sind Helden. Sie stehen in der Tradition derjenigen, die das Königreich vor der Invasion Hitlers bewahrten.

Im Vergleich zu anderen Ländern sind deutsche Soldaten in Gesellschaft und Medien deutlich weniger präsent. Lange Zeit kam der deutsche Einsatz am Hindukusch - außer nach Anschlägen - auch im Fernsehen kaum vor. Das ändert sich derzeit. Soeben zeigte das ZDF die Reportage «Die Afghanistan-Lüge - die Soldaten, die Politik und der Krieg» - allerdings zur wenig attraktiven Sendezeit um 00.35 Uhr morgens.

Die Rolle der Bundeswehr hat sich in den letzten 20 Jahren radikal gewandelt. Früher robbten die Männer in Olivgrün durch die Lüneburger Heide und übten für den Einsatz gegen einen imaginären Gegner jenseits des Eisernen Vorhangs. Jetzt kämpfen sie in einem fernen Land gegen einen sehr entschlossenen Feind. Aber nach allgemeiner Empfindung ist es nicht Deutschland, das sich im Krieg befindet, sondern allein die Bundeswehr. Den Alltag der allermeisten Deutschen berührt der Krieg nicht.

Davon zeugt auch das im September enthüllte Ehrenmal für die getöteten Bundeswehrsoldaten in Berlin. Es liegt recht versteckt auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums und besteht aus einem spröden Betonquader. Dort kann die Bundeswehr nun ihrer Toten gedenken, und niemand muss sich daran stören.

Konflikte / Bundeswehr / Trauer / Afghanistan
09.04.2010 · 10:51 Uhr
[4 Kommentare]
 
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