Chinas Kohlekraftexpansion – Sicherheit vs. Umweltziele
Der jüngste Anstieg der Kohlekraftkapazitäten in China zeugt von einer energiepolitischen Gratwanderung, die eine tiefere Betrachtung verdient als bisher dargelegt. Die chinesische Regierung legt angesichts bisheriger Engpässe in den diversen Provinzen ein gesteigertes Augenmerk auf die Energieversorgungssicherheit. Zugleich fallen Entscheidungen über neue Kohlekraftwerke auf Provinzebene, wodurch lokale Regierungen motiviert sind, den aktuellen Wachstumskurs mittels Kohleprojekten zu stützen. Obwohl das Land zugesagt hat, den Höhepunkt seiner Kohlenstoffemissionen vor 2030 zu erreichen und bis 2060 Netto-Null zu realisieren, fehlt bislang eine klare Definition dieses Emissionsgipfels. Das könnte zu einem gegenwärtigen Entwicklungsboom von Kohlekraftwerken führen, die nach 2030 angesichts der notwendigen Emissionsreduktionen politisch nicht mehr vertretbar wären. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass die Auslastung der neuen Kraftwerke drastisch abnehmen könnte, sofern das Wachstum der Energiebedarfs nicht mit dem Infrastrukturzuwachs Schritt hält. Tatsächlich haben Analysten trotz eines Anstiegs der Energiebedarfs in China im vierten Quartal 2023 eine Rückkehr zum langfristig niedrigen Wachstumstrend bis Ende 2024 prognostiziert. Daraus resultierend könnten sich Kohlekraftanlagen als finanzielles Risiko erweisen – die sprichwörtlichen 'weißen Elefanten'. Ungeachtet dieser bedenklichen Entwicklungen treibt China den Ausbau erneuerbarer Energien weiterhin mit Weltrekordgeschwindigkeit voran. Eine Erhöhung der Kohlekapazitäten impliziert nicht zwangsläufig einen Anstieg der Emissionen, wenn die tatsächliche Nutzung gering bleibt. China verfolgt in großem Maßstab und Tempo gegensätzliche Ziele: Dekarbonisierung, Energiesicherheit und wirtschaftliche Expansion. In welchem Maße ein Ziel durch die Betonung eines anderen verfehlt wird, bleibt abzuwarten. (eulerpool-AFX)
