Chemie: Erster Nachweis von schwefliger Säure unter atmosphärischen Bedingungen gelungen
Schwefelsäure (H2SO4) kennen die meisten noch aus dem Chemieunterricht. Es gibt allerdings auch schweflige Säure (H2SO3). Diese ist extrem instabil und zerfällt quasi sofort in Schwefeldioxid und Wasser, weshalb sie als quasi nicht herstellbar gilt. Chemiker:innen gelang es nun erstmals, schweflige Säure unter Atmosphärenbedingungen nachzuweisen. Der Versuch beweist, dass die kurzlebige Schwefelverbindung in der Erdatmosphäre entstehen kann. Die Forscher:innen berechneten, dass sogar acht Millionen Tonnen schweflige Säure pro Jahr gebildet werden.
Die Säure, die nicht existiert
Erst 1988 wurde nachgewiesen, dass schweflige Säure überhaupt gebildet werden kann – allerdings nur in einem Massenspektrometer unter Vakuumbedingungen, und das Molekül hielt auch nur wenige Mikrosekunden.
Chemiker:innen rund um Torsten Berndt vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) haben schweflige Säure nun erstmals unter atmosphärischen Bedingungen nachgewiesen. Dabei griffen sie auf theoretische Modelle zurück, nach denen schweflige Säure in der Gasphase stabiler sein könnte als in wässriger Lösung. Die Säure soll diesen Modellen zufolge in trockener Luft mehrere Stunden bis Tage erhalten bleiben.
Für ihr Experiment verwendeten die Chemiker:innen zwei Moleküle, die als mögliche Ausgangsstoffe für die Bildung der Säure unter Atmosphärenbedingungen gelten, namentlich Hydroxyl-Radikale (-OH) und Dimethylsulfid (DMS). DMS wird vor allem von Ozeanen freigesetzt, während -OH reaktive Sauerstoffverbindungen sind. Mit jährlich etwa 30 Millionen Tonnen ist DMS die größte biogene Schwefelquelle in der Atmosphäre. Als Zwischenprodukt bei seiner Oxidation in der Luft entsteht Methansulfinsäure (CH3S(O)OH).
Schweflige Säure in der Atmosphäre
In dem Versuch ließen die Forscher:innen dann Hydroxil und Methansulfinsäure in trockener Luft bei Raumtemperatur und unter Normaldruck miteinander Reagieren. Und tatsächlich entstand dabei schweflige Säure. „Die Analyse der Produkte der 2. Generation ergab eine molare H2SO3-Ausbeute von 53 Prozent. Dieser Wert ist höher als das Ergebnis theoretischer Berechnungen“ schreiben die Forscher:innen. Die Säure blieb dann auch unabhängig von der Luftfeuchtigkeit eine halbe Minute lang stabil.
Es handelt sich bei den Ergebnissen des Versuchs von schwefliger Säure in der Gasphase, sondern enthüllt auch einen bisher nicht bekannten Faktor in der Atmosphärenchemie. Den Versuch ergänzende Modellrechnungen zeigten, dass in der Atmosphäre etwa acht Millionen Tonnen der Säure pro Jahr gebildet wurden. Das ist ein deutlich höherer Wert als bei Schwefelsäure in der Atmosphäre.
„Die neuen Ergebnisse können damit zu einem besseren Verständnis des atmosphärischen Schwefelkreislaufs beitragen„, so die Forscher:innen. Die schweflige Säure ist zwar nicht besonders langlebig, allerdings könnte ihre Existenz die chemischen Prozesse in der Atmosphäre beeinflussen. Die Chemiker:innen weisen auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen hin.