BGH-Prozess um Sterbehilfe - Freispruch gefordert

Karlsruhe (dpa) - Im Prozess um Grundsatzfragen der Sterbehilfe vor dem Bundesgerichtshof (BGH) stehen die Zeichen gut für den Angeklagten: Sowohl die Verteidigung als auch die Bundesanwaltschaft haben in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch auf Freispruch plädiert.

Der angeklagte Rechtsanwalt hatte seiner Mandantin geraten, den Schlauch der Magensonde durchzuschneiden, über den ihre im Koma liegende Mutter versorgt wurde. Ein Urteil soll am 25. Juni verkündet werden. Die Fragen der Richter in der Verhandlung ließen allerdings erkennen, dass sich der 2. Strafsenat des BGH noch keine einheitliche Meinung gebildet hat.

Das Landgericht Fulda hatte den Rechtsanwalt im April 2009 wegen versuchten Totschlags zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die Tochter wurde freigesprochen. Sie habe sich auf den Rat des Anwalts verlassen dürfen, befand das Gericht - er hatte ihr gesagt, das Vorgehen sei rechtmäßig. Nachdem die Tochter den Schlauch durchgeschnitten hatte, wurde der Mutter gegen den Willen der Kinder eine neue Magensonde gelegt. Sie starb zwei Wochen später an Herzversagen.

Die Frau war nach einem Hirnschlag 2002 ins Koma gefallen. Wenige Wochen zuvor hatte sie ihrer Tochter gesagt, dass sie keine Beatmung und keine künstliche Ernährung wolle, falls sie das Bewusstsein verlieren und pflegebedürftig werden sollte. Das Pflegeheim in Bad Hersfeld hatte sich jedoch geweigert, die künstliche Ernährung zu beenden.

Eine «gezielte aktive Tötung» sei nicht zu rechtfertigen, auch wenn ein Patient es ausdrücklich und ernsthaft wünsche, betonte die Vorsitzende Richterin des 2. Strafsenats des BGH, Ruth Rissing-van Saan. Tötung auf Verlangen ist nach dem Strafgesetzbuch verboten. Fraglich ist, ob das Durchschneiden des Schlauchs als aktive Tötungshandlung zu beurteilen ist oder lediglich als Beendigung der künstlichen Ernährung, also einer lebensverlängernden Maßnahme.

«Das ist keine Tötungshandlung», sagte der Verteidiger des Anwalts, Gunter Widmaier, in seinem Plädoyer. Er verglich den Schnitt durch den Schlauch mit dem Abschalten eines Beatmungsgeräts: «Das ist aktives Tun, aber es tötet nicht den Patienten, sondern stellt den Zustand her, der dem natürlichen Sterben des Menschen entsprechen würde.» Es gehe darum, einen «Zustand des würdigen Sterbens» herzustellen.

Auch der Vertreter der Anklage forderte einen Freispruch. Das Durchtrennen des Schlauchs habe dazu gedient, die Behandlung zu beenden. Dies sei nach dem Betreuungsrecht - das unter anderem die Patientenverfügung regelt - gerechtfertigt. «Entscheidend ist der Wille des Patienten, unabhängig von der Art und dem Stadium der Krankheit.»

Der angeklagte Rechtsanwalt Wolfgang Putz - ein Spezialist für Medizinrecht - bat in seinem Schlusswort um ein Urteil, das auch für die behandelnden Ärzte Klarheit schafft. Viele Ärzte würden sich nicht trauen, eine Behandlung zu beenden, «weil sie Angst haben, mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen».

Prozesse / Medizin / Sterbehilfe
02.06.2010 · 15:14 Uhr
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