Außer der Reihe
Wie expansiv ist die Geldpolitik?

(lifepr) Frankfurt am Main, 27.10.2015 - Seit dem Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 reagierten die Geldpoliti-ker rund um den Globus mit stimulierenden Maßnahmen, um ein Abrutschen der Volkswirt-schaften in eine Deflationsspirale zu verhindern. Die Notenbanken stießen dabei schnell an die Grenzen konventioneller Instrumente, vor allem der Zinspolitik. In vielen Fällen gingen die No-tenbanken zu großvolumigen Anleihekäufen über, so in den USA, in Großbritannien und im Verlauf der sich anschließenden EWU-Schuldenkrise auch in der Eurozone. Wie expansiv war und ist diese Politik, wenn die traditionelle Beurteilung des Expansionsgrades – der Leitzins – nicht mehr das Maß der Dinge sein kann?

Die tiefe Rezession 2008/09 und die Turbulenzen an den Finanzmärkten brachten nicht nur Unter-nehmen der Realwirtschaft in Bedrängnis, sondern belasteten Banken und Finanzkonzerne mas-siv. Mit raschen und beherzten Leitzinssenkungen steuerten die Notenbanken entgegen und in der Folge näherten sich die Zinsniveaus der Null-Prozent-Marke. Verschiedene geldpolitische Regeln (zumeist im Stile einer Taylor-Regel) wiesen jedoch auf die Notwendigkeit einer weitergehenden Stimulierung hin. Die Nullzinsgrenze (Zero Lower Bound) kann jedoch nicht einfach durchbrochen werden. Dies gilt vor allem deshalb, da die Bargeldalternative zinsfrei ist. Eine negative Verzinsung von Bank-Guthaben würde als Strafzins wahrgenommen und der Anreiz zur Bargeldhortung er-höht. Ein massiver Abfluss von Kundeneinlagen, sei es von Giro-, Spar- oder Terminkonten, er-schien nicht wünschenswert und so wurde in den großen Währungsräumen dieses Risiko nicht eingegangen. Vereinzelt wurden Leitzinsen zwar, z. B. in der Schweiz, auch in den negativen Be-reich gesenkt. Dies erfolgte aber insbesondere deshalb, weil der Kapitalzufluss (Fluchtgelder) geschwächt und damit die Aufwertung der heimischen Währung gestoppt werden sollte.

In den USA erfolgte die gebotene weitere Lockerung über diverse Kaufprogramme für Anleihen und durch die Einführung der sogenannten Forward Guidance, mit dem Ziel vor allem die länger-fristigen Zinsen weiter zu reduzieren, ohne den Leitzins in negatives Territorium zu drücken. Um einschätzen zu können, wie stark der Stimulus im Vergleich zur Vergangenheit ausgefallen ist, sind in den letzten Jahren umfangreiche Studien erstellt worden, unter anderem von L. Krippner (RBNZ)1 und von J.C. Wu (Chicago Booth) und F.D. Xia (UC San Diego)2.

Inzwischen veröffentlicht die Federal Reserve Bank of Atlanta monatlich Werte eines Schattenzin-ses, basierend auf den Arbeiten von Wu und Xia (siehe zweite Grafik). Der Ansatz versucht, die Wirkung der nicht-konventionellen Geldpolitik über die Terminzinskurve zu ermitteln. Das Maxi-mum des Stimulus ist auf dieser Basis im Jahr 2014 eingetreten. Ende 2013 wurde im FOMC der US-Notenbank beschlossen, die monatlichen Käufe langsam zu reduzieren, und seit Herbst 2014 haben sich die Wertpapierbestände des Federal Reserve System auf einem Niveau von rund 4,5 Bio. USD stabilisiert. Damit einhergehend ist der Schattenzins von seinem Tief bei -2,99 % im Mai 2014 auf -0,74 % im September 2015 gestiegen. Mithin hat eine Straffung des monetären Umfeldes begonnen, obwohl die Fed die offizielle Zinswende bislang schuldig geblieben ist. Die Ergebnisse von Krippner werden von der Reserve Bank of New Zealand (RBNZ) veröffentlicht. In Abhängigkeit von den verwendeten statistischen Ansätzen kommen die Schätzungen des tatsäch-lichen monetären Stimulus in den USA zu unterschiedlichen Ergebnissen, bei einem ähnlichen Verlauf. Auch Krippner folgend hat sich der Expansionsgrad der US-Geldpolitik bereits zurückge-bildet von einem Tief bei -5,88 % (November 2012) auf -0,60 % (September 2015).

Realtime-Beobachtung via Swap-Kurve

Der Schattenzins in den USA (insbesondere der von Krippner) kann mithilfe der Swap-Kurve an-genähert werden (Steilheit in Relation zum Zinsniveau) und ermöglicht zum einen eine tagesaktu-elle Beobachtung und zum anderen eine Übertragung auf andere Währungsräume. Vornehmliches Interesse gilt unsererseits den Entwicklungen in der Eurozone.

Auch die Leitzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist an die Nullgrenze gestoßen, während regelbasierte Empfehlungen (Taylor) in den negativen Bereich hinein ragen. Das heißt aber nicht, dass die Notenbank keine Möglichkeit der weiteren Stimulierung hatte und hat. Seit dem Frühjahr des laufenden Jahres bedient sich die EZB wie zuvor bereits andere Notenbanken großvolumiger Anleihekäufe. In diesem Zusammenhang ist auch die Forward Guidance zu nennen, die eine trendmäßige Senkung der Zinserwartungen zur Folge hatte und das Niedrigzinsumfeld begünstigt, ebenso wie die überreichliche Liquiditätsversorgung infolge der Anleihekäufe. Daneben sind ziel-gerichtete Langfristrefinanzierungsgeschäfte zu erwähnen, die ebenfalls Einfluss auf die Über-schussliquidität haben. Wu und Xia haben zwischenzeitlich ihren Ansatz auch für die EZB ange-wendet, allerdings werden hierzu keine aktuellen Zeitreihen veröffentlicht. Umso wichtiger ist es, mithilfe eines Realtime-Trackers nach US-Vorbild einen Eindruck vom Grad der monetären Stimu-lation zu erhalten. Es überrascht wenig, dass die Swap-Kurven-Indikation am aktuellen Rand wei-ter nach Süden gerichtet ist und der EZB-Stimulus entsprechend noch auf seinen Höhepunkt zu-läuft. Vor allem das in das erweiterte Anleihekaufprogramm integrierte PSPP trägt zu dem Niedrig-zinsumfeld noch mindestens bis September 2016 bei, vermutlich darüber hinaus.

1) vgl.: L. Krippner, Documentation for United States measures of monetary policy (2014); Daten: www.rbnz.govt.nz

2) vgl.: J. C. Wu und F. D. Xia, Measuring the Macroeconomic Impact of Monetary Policy at the Zero Lower Bound (2013, 2014)
Finanzen & Versicherungen
[lifepr.de] · 27.10.2015 · 10:15 Uhr
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