Analyse: Europa wartet auf den Gipfel

Brüssel (dpa) - Finanzmärkte und Bürger erwarten vom neuen Euro-Krisengipfel am Mittwochabend konkrete Ergebnisse. Der Druck auf die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone ist enorm.

Es geht um die Rettung Griechenlands mit einer neuen Hilfszusage und mehr Schlagkraft für den Krisenfonds zugunsten klammer Eurostaaten (EFSF). Auf dem Spiel steht ein Gesamtpaket gegen die Schuldenkrise - «the big bazooka (die große Panzerfaust)», wie britische Zeitungen in der Sprache des Krieges titeln.

«Ich rate den Staats- und Regierungschefs, erst dann herauszugehen, wenn sie eine sattelfeste Lösung haben», meint der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, Martin Schulz. «Es ist Zeit, die Unsicherheit zu beenden», fügt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hinzu.

Es gab schon einfachere Brüsseler Spitzentreffen, zumal die «Chefs» seit vergangenem Sonntag noch einen weiteren Notfall am Hals haben: Italien. Beim Vor-Gipfel forderten Frankreich und Deutschland den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi ungewöhnlich deutlich und völlig undiplomatisch auf, doch bitte den Schuldenabbau zu verstärken und mehr für das Wachstum zu tun. Doch eine Krisensitzung des Kabinetts in Italien blieb ohne Ergebnis, Berlusconi kämpft ums politische Überleben.

Die Zeit netter Worte - insbesondere gegenüber Gründungsmitgliedern der EU - ist vorbei. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn meint, Italien solle zwar nicht gedemütigt werden. «Man muss sich aber an eine verstärkte Überwachung gewöhnen.» Der angeschlagene Berlusconi muss zum Gipfel ein Papier mit Wachstumsmaßnahmen in der Tasche haben - sonst droht Ärger mit den ungeduldigen Partnern.

Wurde bisher in den vergangenen Tagen bei endlosen Brüsseler Sitzungen auf Minister- oder Chefebene vor allem über komplizierte Finanztechnik gesprochen, so ist Italien ein hochpolitischer Fall. Die Schuldenkrise erreicht die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Ein Abdriften wäre laut Experten für das gemeinsame Währungsgebiet kaum zu verkraften.

Die französische Tageszeitung «Le Monde» spekulierte am Dienstag schon darüber, dass der Krisenfonds EFSF einspringen könnte, um italienische Staatsanleihen zu kaufen und damit Rom eine Refinanzierung zu vernünftigen Bedingungen zu ermöglichen. Das Land muss inzwischen etwa sechs Prozent Zinsen für seine langfristigen Schuldtitel zahlen. Zuviel, meinen Fachleute.

Der SPD-Europapolitiker Schulz zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Eurostaaten auf eine «Hebelung» des Rettungsfonds EFSF einigen werden. Damit könnte der Fonds laut Experten mit weit über einer Billion Euro arbeiten - bisher beträgt das Ausleihvolumen 440 Milliarden Euro.

Es werden noch zwei Wege debattiert: ein Art Teilkasko-Versicherung für Käufer neuer Anleihen von Wackelkandidaten wie Italien oder Spanien. Die andere Variante ist, den Internationalen Währungsfonds (IWF) bei einem neuen Kredittopf mit ins Boot zu nehmen. Bisher ist der IWF schon als Geldgeber für Krisenstaaten wie Griechenland mit dabei, agiert aber eigenständig.

Hinter verschlossenen Türen lieferten sich vor dem Gipfel Banken und Politik einen Nervenkrieg um griechische Anleihen. Bisher wollen die Geldhäuser höchstens einen Abschlag von 40 Prozent hinnehmen, die Politik fordert laut Diplomaten hingegen rund 60 Prozent. Beim zweiten Griechenland-Paket, das noch nachgebessert werden muss, war bisher vor einem Abschlag von 21 Prozent die Rede gewesen - doch das reicht nicht mehr aus.

Es wird mit einem harten Banken-Poker bis zur letzten Minute gerechnet. Besonders betroffen sind französische Geldhäuser, die noch viele griechische Anleihen in den Büchern haben. Die Sorgen über Frankreich, dessen Bestnote der Ratingagenturen («AAA») wackelt, nehmen in Brüssel zu.

Vor den 17 Euro-«Chefs» werden am Mittwoch noch die 10 Staatenlenker zusammenkommen, deren Länder bisher nicht den Euro als Währung haben. Damit kam EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy vor allem einem Wunsch Großbritanniens nach. Das Treffen zu 27 wird gerade einmal 75 Minuten dauern. Das bedeutet eine Redezeit von knapp drei Minuten, falls jeder das Wort ergreifen sollte.

EU / Finanzen / Gipfel
25.10.2011 · 21:52 Uhr
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