Analyse: Ankaras neue Töne lassen aufhorchen

Istanbul (dpa) - Beim Thema Integration der in Deutschland lebenden Türken reden Berlin und Ankara schnell aneinander vorbei. «Integration» oder «Assimilation» werden als Gegenmodelle diskutiert.

Doch in der öffentlichen Debatte von Politikern und Medien der Türkei kommt fast immer auch das Wort «uyum», das auch Harmonie bedeutet, ins Spiel.

Harmonisches Zusammenleben ist aber auch möglich, ohne dass Migranten sich dafür zwangsläufig von ihren Traditionen und Lebensweisen verabschieden müssten. Sollen die Migranten nur fit für den Arbeitsmarkt sein und den Sozialkassen nicht auf der Tasche liegen? Oder sollen sie von Generation zu Generation möglichst auch deutscher werden? Für wen jubeln sie im Fußballstadion? Diese Fragen werden in Deutschland und der Türkei immer wieder leidenschaftlich diskutiert.

Mit Argusaugen haben Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seine Vorgänger bisher darüber gewacht, ob die Türken in Deutschland etwa mit Druck auf deutsche Lebensweise getrimmt werden soll. Das Thema kocht mehrmals im Jahr hoch, zuletzt beim Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), bei dem es im Frühjahr einen tagelangen Streit um die Forderung Erdogans nach türkischen Schulen in Deutschland gab.

Erst am Rande seines Besuches des deutsch-türkischen EM-Qualifikationsspieles in Berlin bekräftigte Erdogan am Wochenende erneut, dass Assimilation ein «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» sei. Seine Worte wurden von türkischen Medien ausführlich zitiert. Unter Assimilation verstehe er Druck auf Menschen, der diese zur Aufgabe von Religion, aber auch Kultur oder Traditionen zwinge, sagte Erdogan. «Das ist wie Mathematik. Zwei mal zwei ergibt vier», rechnete er vor.

Doch was unternehmen, wenn Appelle keine Wirkung zeigen? Die Türkische Republik selbst trimmt ihre eigenen Minderheiten bis heute mit Zwang und staatlicher Gewalt auf die türkische Kultur. Gleichzeitig wacht Ankara eifersüchtig darüber, dass die Auslandstürken sich weiter als Türken fühlen können.

Der türkische Europaministers Egemen Bagis hat seine in Deutschland lebenden Landsleute und die Deutschen türkischer Herkunft nun in der «Bild»-Zeitung zur besseren Integration aufgerufen. «Lernt Deutsch! Passt euch den Sitten und Gebräuchen eures Gastlandes an!», fordert Bagis. Aber auch: «Wir sagen: Ihr müsst das Geschenk eurer Identität und eurer Kultur nicht aufgeben, sondern euch als Botschafter der Türkei verstehen.»

Das ließ aufhorchen. Bagis erntet Lob. Er zeige eine «wahrhaft europäische Einstellung, erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. «In Vielfalt geeint - das ist das, was Europa ausmacht. Eine funktionierende, lebendige Gesellschaft setzt voraus, dass sich jeder an die vorhandenen Rahmenbedingungen anpasst, natürlich unter Wahrung seiner kulturellen Identität.»

Im Februar 2008 hatte Erdogan selbst noch eine Welle der Kritik ausgelöst, weil er in der Kölnarena die in Deutschland lebenden Türken vor zu viel Anpassung warnte. Es sei zwar wichtig, Deutsch zu lernen, sagte er. Die türkische Sprache dürfe aber nicht vernachlässigt werden. Die Türken stünden in Europa vor der Herausforderung, ihre Identität und ihre Kultur zu bewahren. «Man kann von euch nicht erwarten, euch zu assimilieren», warnte Erdogan.

Migration / Integration / Türkei
12.10.2010 · 15:30 Uhr
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