Analyse: Abstand zwischen Union und SPD wächst

Berlin (dpa) - Von einem klaren Signal für den Wechsel kann man nicht sprechen. Doch in den Berliner Parteizentralen war am Sonntagabend von einem «Fingerzeig» die Rede. Der Abstand zwischen Union und SPD hat sich gut 100 Tage vor der Bundestagswahl gewaltig vergrößert.

Von den etwa 10 Punkten Vorsprung bei den Bundestags-Umfragen sind es nun bei der Europawahl weit mehr als 15 Punkte Differenz geworden.

Eine deutliche Wechselstimmung zu Schwarz-Gelb drückt der Wahlsonntag aber nicht aus. Die FDP wurde zwar erstmals mit über 10 Prozent zweistellig in Europa. Die Union bleibt aber mit etwa 38 Prozent unter der 40-Prozent-Marke. Für eine sichere schwarz-gelbe Perspektive ist das zu wenig.

Ein echter Test für die Bundestagswahl im September war die Europawahl sicher nicht. Aber es war gewissermaßen die erste Runde im nationalen Kräftemessen dieses Jahres zwischen beiden Kanzler-Anwärtern im Herbst. Sie ging - trotz der klaren Verluste der Union im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren - nach Punkten an die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Wegen der Agenda-Politik von Rot-Grün stand die SPD von Kanzler Gerhard Schröder bereits vor fünf Jahren im Stimmungstief. Sie erreichte damals mit 21,5 Prozent das schlechteste Ergebnis bei bundesweiten Wahlen. Diesmal rechnete SPD-Chef Franz Müntefering fest mit einem klaren Signal nach oben. Doch der Ergebnis-Balken blieb im Keller.

Die Union hat zwar mit Verlusten von gut sechs Punkten deutlich weniger Stimmen als vor fünf Jahren erhalten, als sie als Oppositionskraft vom Denkzettel gegen Schröder profitierte. Sie bleibt aber nach dieser Generalprobe zur Bundestagswahl mit großem Abstand stärkste Kraft in der großen Koalition. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier («Das hätte ich mir anders erwünscht»), der wie Merkel bundesweit im Wahlkampf plakatiert wurde, muss nun mit dem historisch schlechtesten SPD-Ergebnis in die Aufholjagd bis zur Bundestagswahl gehen.

Die bayerische CSU kann wieder hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Der erste bundesweite Test für den neuen CSU-Chef Horst Seehofer («Die Christlich Soziale Union ist wieder da, liebe Leute») ist gelungen. Die CSU ist in Bayern wieder in der Nähe der absoluten Mehrheit, die sie so spektakulär im vergangenen Herbst bei der Landtagswahl verloren hatte, und redet weiter auch in Europa mit. Dass diese Profilierung auch zulasten von Merkel ging, wird der Kanzlerin nicht gefallen.

Bei den Berliner Oppositionsparteien freut sich vor allem die FDP (Parteichef Guido Westerwelle: «Freude schöner Götterfunke»). Sie kam mit gut 10 Prozent auf ein zweistelliges Ergebnis, wenn auch deutlich entfernt von den 15 Prozent, die sie in Umfragen vor Monaten hatte. Die Linke (Gregor Gysi: «Es ist uns nicht ganz gelungen, zu mobilisieren.») bekam einen Dämpfer. Trotz weiter grassierender Wirtschaftskrise und Zukunftsängsten bei vielen Menschen blieb ihr Plus von gut einem Prozentpunkt bei einem Gesamtergebnis um 7,5 Prozent überschaubar. Die Grünen (Parteichefin Claudia Roth: «Europa wird grüner») sind diesmal drittstärkste Kraft und bleiben mit rund 12 Prozent eine feste Größe in Europa.

Die Wahlbeteiligung um die 43 Prozent blieb so niedrig wie vor fünf Jahren. Europapolitisch ist das Signal, dass es aus Deutschland kein neues Signal in Richtung Straßburg und Brüssel gibt. Die Begeisterung für die europäischen Institutionen hält sich im größten EU-Land weiter in Grenzen. Die Deutschen gehören damit gleichwohl nicht zu den neuen Europa-Skeptikern. Jüngste Umfragen zeigten wieder, dass fast 90 Prozent der befragten 14- bis 24-Jährigen sagen: «Ich bin stolz darauf, Europäer zu sein.»

Wahlen / EU / Deutschland
07.06.2009 · 21:24 Uhr
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