Aktien teuer bewertet: Warum der Risikoaufschlag gegenüber Anleihen schwindet und was das bedeutet
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die earnings yield des S&P 500 – also der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses – liegt aktuell bei rund 2,8 %. Demgegenüber rentieren inflationsbereinigte US-Staatsanleihen mit etwa 1,4 %. Damit beträgt der sogenannte excess CAPE yield, also der Risikoaufschlag gegenüber als sicher geltenden Anleihen, nur noch rund 1,4 Prozentpunkte. Historisch gesehen ist das wenig – ein Signal für hohe Bewertung und geringe Kompensation für eingegangenes Risiko.
Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als sich die Märkte nach anfänglichen Belastungen durch Trumps Zollpolitik zuletzt stark erholt haben. Die Bewertung der US-Aktienmärkte ist allerdings von einer realwirtschaftlichen Bodenhaftung weit entfernt. Der Blick auf verschiedene Varianten des price/earnings ratio zeigt durchweg: Anleger zahlen derzeit historisch hohe Preise für jeden Dollar Unternehmensgewinn – unabhängig davon, ob vergangene, erwartete oder zyklisch adjustierte Gewinne herangezogen werden.
Gerade dieser cyclically adjusted price/earnings ratio (CAPE), etabliert durch Nobelpreisträger Robert Shiller, ist bei Investoren ein beliebtes Instrument, um relative Bewertungen einzuschätzen. Und vor allem der daraus abgeleitete excess CAPE yield hat sich als relativ zuverlässiger Indikator für die langfristige Outperformance von Aktien gegenüber Anleihen erwiesen. Je kleiner der Risikoaufschlag, desto kleiner war in der Vergangenheit auch der Renditevorsprung von Aktien auf Sicht von zehn Jahren.
Doch es gibt auch Gegenstimmen. Valuation-Guru Aswath Damodaran von der NYU Stern School of Business sieht klassische Bewertungskennzahlen kritisch. Der S&P 500 werde häufig wie ein festverzinsliches Wertpapier bewertet – ohne Berücksichtigung des künftigen Gewinnwachstums. Er berechnet daher eine eigene equity risk premium, die auf Analystenschätzungen basiert. Diese deute aktuell auf eine moderate Überbewertung hin, aber sei eher zur Einzelaktienanalyse als für Markttiming geeignet.
Für institutionelle Investoren bleibt die Bewertung dennoch ein nützliches Steuerungsinstrument. Wie eine Analyse des „Wall Street Journal“ zeigt, hätte ein Anleger, der in Zeiten besonders niedriger excess CAPE yields in Anleihen statt in Aktien investiert hätte, über die letzten sechs Jahrzehnte eine höhere reale Rendite erzielt – im Schnitt 6,6 % jährlich. Entscheidend war dabei der Schwellenwert von 1,75 %: Fiel der Risikoaufschlag darunter, rentierte ein Wechsel in Treasurys besser als das Halten von Aktien.
Der Markt ignoriert derzeit zunehmend Bewertungsrisiken. Doch historisch folgt auf Bewertungsübertreibung selten nachhaltige Outperformance.