Wulff unterstützt Forderung nach Religionsfreiheit
Tarsus/Istanbul (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff fordert mehr Rechte für die Christen in der Türkei. Zusammen mit Vertretern aller christlichen Konfessionen hat Wulff bei einem Gottesdienst am vorletzten Tag seines Türkei-Besuches ein Bekenntnis für Religionsfreiheit abgelegt.
«Da ist noch ein Stück Weg zurückzulegen, aber mit dem heutigen Gottesdienst ist ein weiterer größerer Schritt gelungen», sagte Wulff am Donnerstag nach dem Gottesdienst in der Paulus-Kirche in der südtürkischen Kleinstadt Tarsus, die als Geburtsort des Apostels Paulus gilt. «Wir sind hier in der richtigen Richtung unterwegs, aber noch nicht am Ziel», sagte Wulff.
Der Bundespräsident wollte die Christen mit dem Besuch am vierten Tag seiner Reise stärken. Die etwa 100 000 Christen unter den gut 70 Millionen Einwohnern des islamisch geprägten Landes haben bei weitem nicht die gleichen Rechte wie Muslime.
Vom Gebiet der heutigen Türkei aus habe sich das Christentum zur Weltreligion verbreitet, sagte der evangelische Pfarrer Holger Nollmann in seiner Predigt in der Paulus-Kirche. «Das Christentum ist ganz zweifelsfrei ein Teil der Türkei», sagte er. «Wir als Christen in der Türkei sehnen uns nach vollständiger Religionsfreiheit.» Die Anerkennung der Religionsfreiheit als Menschenrecht gelte für die Christen in der Türkei ebenso wie für die Muslime in Deutschland.
Zu dem Gottesdienst in der Paulus-Kirche kamen Vertreter aller christlichen Gemeinden, darunter auch orthodoxe und armenische Christen. Bei der stimmungsvollen Zeremonie mit Gesang und Predigt war die Kirche nur halbvoll. In Tarsus gibt es keine einheimische christliche Gemeinde mehr.
Die katholische Kirche bemüht sich seit Jahren darum, in Tarsus ein Gotteshaus mit Pilgerzentrum einzurichten. In der Paulus-Kirche, die den Status eines Museums hat, gibt es jährlich etwa 150 Gottesdienste. Diese müssen bei den türkischen Behörden allerdings jeweils einzeln beantragt werden. In seiner Rede vor dem türkischen Parlament hatte Wulff islamische Länder am Dienstag aufgerufen, Christen die freie Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen.
Wulff reiste am Donnerstag weiter nach Istanbul, wo er am Freitag zusammen mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül den Grundstein zur Deutsch-Türkischen Universität legen will. Dazu reiste auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) an, die in der Türkei am Donnerstag zwei Abkommen für wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit unterzeichnete, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast schlug vor, die Präsidenten Deutschlands und der Türkei gemeinsam mit dem Karlspreis auszuzeichnen. Künast sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung», die Staatsoberhäupter hätten in der Integrationsdebatte Sätze geprägt, die ungeheure Schlagkraft entwickelten. Mit ihren übereinstimmenden Äußerungen zur Religionsfreiheit hätten Wulff und Gül Mut bewiesen. Sie hätten Türen aufgestoßen für eine europäische Verständigung und ein friedliches Zusammenleben. «Für diese Leistung haben sie den Karlspreis verdient», sagte Künast.