Türkei und Armenien setzen auf Annäherung
Ziel sei es, politisch, wirtschaftlich und bei der Energieversorgung zusammenzuarbeiten und dazu auch die gemeinsame Grenze zu öffnen, hieß in dem unter Führung der Schweiz ausgehandelten Dokument. Während türkische Politiker am Dienstag die Forderung nach einem Abzug Armeniens aus Berg-Karabach bekräftigten, warnte Armenien vor neuem Streit. Die Protokolle sollen den Parlamenten beider Staaten binnen sechs Wochen zur Ratifizierung vorgelegt werden. Die EU begrüßte die Annäherung.
Die Türkei und Armenien hatten ihre Beziehungen 1993 wegen des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach abgebrochen. In diesem Territorialstreit hatte sich die Türkei auf die Seite Aserbaidschans gestellt. Einen weiteren Streitpunkt zwischen der Türkei und Armenien bildet die Anerkennung des Massakers an Armeniern 1915 im Osmanischen Reich. Armenien verlangt von der Türkei die Anerkennung der Gewalttaten als Völkermord. Bei den Massakern sollen nach Schätzungen bis zu 1,8 Millionen Armenier ums Leben gekommen sein. Die Türkei geht dagegen von etwa 200 000 Toten aus und weist den Vorwurf des Völkermords zurück.
Armenien lehnte am Dienstag Vorbedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen und die Wiedereröffnung der Grenzen kategorisch ab. Der ungelöste Konflikt um Berg-Karabach dürfe die Annäherung nicht behindern, sagte der armenische Präsident Sersch Sargsjan nach Angaben der Agentur Interfax vor Diplomaten in Eriwan. Nach den Worten Sargsjans ist der Territorialstreit noch weit entfernt von einer Lösung.
Sargsjan unterstrich aber, dass für Armenien die Anerkennung des Völkermords von 1915 durch die Türkei keine Vorbedingung sei für eine Verbesserung des Verhältnisses. Unabhängig von der türkischen Bewertung hätten inzwischen Wissenschaftler auf der ganzen Welt sowie zahlreiche Staaten den Genozid an den Armeniern anerkannt. «Das ist notwendig, um die historische Gerechtigkeit herzustellen. Und notwendig, damit sich das Vergangene nicht wiederholt», sagte der armenische Präsident.
Beide Staaten hatten sich bereits im April nach monatelangen Verhandlungen auf einen Fahrplan zur Normalisierung ihrer Beziehungen geeinigt. Als Ziele wurden Friede, Sicherheit und Stabilität in der gesamten Region genannt. Nach Inkrafttreten der Vereinbarungen sollen innerhalb von zwei Monaten die Grenzen geöffnet werden.
Als erster Staatschef der Türkei hatte Präsident Abdullah Gül im September vergangenen Jahres Armenien besucht und eine Zusammenarbeit angeboten. Sein armenischer Amtskollege Sargsjan hatte ihn zum Qualifikationsspiel beider Länder zur Fußballweltmeisterschaft 2010 eingeladen.
«Wir begrüßen die Vereinbarung, wonach die Normalisierung der Beziehungen vorangetrieben werden soll», heißt es in einer Erklärung von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und Erweiterungskommissar Olli Rehn vom Dienstag in Brüssel. Die EU messe der Vereinbarung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und der Entwicklung der bilateralen Beziehungen «große Bedeutung» bei. «Diese Vereinbarung sollte zu Frieden und Stabilität im Südkaukasus beitragen.»