Spanien überholt Frankreich: Das neue Vorbild Europas?
Es ist ein Symbol mit Bedeutung: Ende September musste Frankreich erstmals seit 2008 höhere Zinsen für seine Schulden zahlen als Spanien. Der Unterschied mag klein sein, doch er verdeutlicht, wie unterschiedlich die Finanzmärkte die wirtschaftliche Disziplin und Zukunftsaussichten der beiden Länder bewerten.
„Spanien verdient eine bessere Bonität als Frankreich“, erklärt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank.
Und tatsächlich: Während Spaniens Wirtschaft wächst und seine Schulden sinken, steckt Frankreich tief in der Ausgabenfalle.
Spanien: Von der Krise zum Vorbild
Spanien hat sich seit der Euro-Krise bemerkenswert erholt. Das Land, das einst unter Immobilienblasen und Finanzchaos litt, ist heute ein Vorzeigebeispiel für wirtschaftliche Disziplin. Eine solide Haushaltspolitik und tiefgreifende Reformen haben das Fundament für Spaniens Aufstieg gelegt.
Auch die Pandemie, die das Land besonders hart traf, wurde als Chance genutzt. Dank kluger Investitionspläne und einer sinnvollen Nutzung der EU-Wiederaufbauhilfen hat Spanien massiv in erneuerbare Energien und andere Wachstumsbereiche investiert.
Das Ergebnis: Spaniens Wirtschaft wächst. 2023 wird ein Wachstum von 2,1 Prozent erwartet – weit über dem Durchschnitt der Eurozone, der bei nur 0,8 Prozent liegt. Spanien hat gelernt, seine Haushaltsdefizite zu kontrollieren und arbeitet zielgerichtet auf die Maastricht-Kriterien hin.
In diesem Jahr steuert das Land auf ein Defizit von knapp drei Prozent zu, während Frankreich mit einem Defizit von über sechs Prozent zu kämpfen hat.
Frankreich: Schulden und Ausgabensucht
Im Vergleich dazu scheint Frankreich festzustecken. Das Land hat seit Jahrzehnten eine enorm hohe Staatsquote und kann sich von seiner Ausgabensucht nicht lösen. 57 Prozent der Wirtschaftsleistung in Frankreich entfallen auf den Staat – der höchste Wert in der EU.
Hohe Staatsausgaben gehören zur politischen Kultur, wie Pierre Moscovici, Präsident des französischen Rechnungshofs, kürzlich feststellte. Seit 50 Jahren sind die öffentlichen Ausgaben in Frankreich nie gesunken.
Die Wirtschaftspolitik unter Präsident Emmanuel Macron brachte zwar einige Reformen, aber langfristig angelegte Maßnahmen blieben aus. Die Schulden wachsen, während das Wirtschaftswachstum schwächelt.
Und die politische Lage verschärft die Unsicherheiten: Mit den erstarkenden politischen Rändern, sowohl rechts als auch links, wächst das Risiko für Investoren. „Die Schuldenlast ist wie ein Damoklesschwert über Frankreich“, warnte Premierminister Michel Barnier kürzlich.
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Zwei Länder, zwei Wege
Während Spanien seine Wirtschaft auf Wachstum und Disziplin ausrichtet, kämpft Frankreich mit strukturellen Problemen. Die französische Schuldenquote stagniert bei über 112 Prozent des BIP, nur Italien und Griechenland haben in der EU höhere Schulden. Im Gegensatz dazu konnte Spanien seine Verschuldung nach der Pandemie deutlich reduzieren, auf rund 105 Prozent des BIP.
Für Spanien war die Erholung kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis harter Arbeit und sinnvoller Investitionen. „Die spanische Regierung hat die Krise genutzt, um gezielte Reformen voranzutreiben“, erklärt Carsten Brzeski von der ING. Diese Reformen zahlen sich nun aus.
Frankreich hingegen versäumt es, langfristige Lösungen zu finden. Die Folgen könnten verheerend sein: Frankreichs Schulden wachsen weiter, und ohne tiefgreifende Reformen wird es für das Land schwierig, die Kontrolle über seine Finanzen zurückzugewinnen.