Report: Der späte Klimadeal von Durban

Durban (dpa) - Als Maite Nkoana-Mashabane um 5.30 Uhr das Podium verlässt, kann sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Sie stolpert fast über ihr rotes Kleid, fängt sich und lächelt charmant.

Sie wirkt unendlich müde. Vier Stunden zuvor waren Südafrikas Außenministerin ihre Zweifel noch deutlich anzumerken, dass der Kraftakt gut ausgehen werde. Der ganze UN-Klimaprozess stand auf dem Spiel. «Hier in Durban können wir gemeinsam Geschichte schreiben. Es ist Ihre Entscheidung, welche Art von Geschichte Sie schreiben wollen», rief sie ins Plenum.

Es sind drei Frauen, die den längsten UN-Klimagipfel aller Zeiten prägen - und schließlich den Weg bereiten für einen Weltklimavertrag, der nun bis 2015 ausgearbeitet und bis 2020 in Kraft treten soll.

Wenn er sich als eine Mogelpackung herausstellen sollte, werden sich viele an den Auftritt von Jayanthi Natarajan am Sonntagmorgen im Abschlussplenum erinnern. Als Indiens Umweltministerin lautstark vom Leder zieht, verfinstern sich die Mienen bei der europäischen Delegation. «Indien wird sich hier nicht für ein Scheitern an den Pranger stellen lassen», wettert die resolute Ministerin. «Was ist das Problem, eine Option mehr aufzunehmen?», fragt Natarajan mit Blick auf die umstrittene Formulierung «rechtliche Vereinbarung».

Die EU will nur den Begriff «rechtliches Instrument» akzeptieren, da dieser in der Klimapolitik viel bindender sei und so wirklich helfen könne, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Indien aber will wirtschaftlich weiter wachsen und keine zu starken Hemmnisse durch Beschränkungen beim Kohlendioxidausstoß - aber erstmals wollen sie wie China überhaupt Minderungsvorgaben akzeptieren.

Die dritte Frau im Bunde, EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard, kämpft vehement für etwas, was zuvor niemand von Durban erwartet hatte. «Die EU hat viele Jahre Geduld bewiesen», sagt Hedegaard. Sichtbar blass ist sie nach einem 24-stündigen Verhandlungsmarathon. Wenige Stunden zuvor twitterte sie aus einer Runde mit 50 Ministern: «Der Zeitdruck ist inzwischen auch physisch im Raum zu spüren. Nervtötend.» Die Dänin bekennt, dass sie diese Sitzungen hasst.

Maite Nkoana-Mashabane unterbricht das Plenum und verhandelt mit den Streithähnen EU und Indien separat weiter. Man einigt sich auf die Formel «Vereinbarung mit rechtlichem Druck». «Viele Menschen werden denken: Was ist da für ein Unterschied, es ist doch nur ein Wort? Aber das ist extrem wichtig», sagt Hedegaard zu dem Streit. Die Zukunft wird zeigen, ob der Deal Fortschritt oder Stillstand ist.

Hedegaard sieht in Durban eine einmalige Chance. Sie will keinen weiteren faulen Kompromiss. Wendepunkt war der Donnerstag. Die EU, die kleinen Inselstaaten und die 50 ärmsten Länder sowie weitere afrikanische Staaten schlossen sich zu einer Koalition der Willigen zusammen. Ihr Ziel: Ein rasches rechtsverbindliches globales Klimaschutzabkommen. Blockierer wie die USA, Indien und China sahen sich nun einer deutlichen Mehrheit gegenüber - und waren düpiert.

An Hedegaards Seite kämpft der Bundesumweltminister, damit Durban nicht scheitert. Vor dem Klimagipfel hatte Norbert Röttgen gesagt: «Klimaschutz ist ein Marathon, keine Kurzstrecke.» Da Durban aber gleich 14 statt 12 Tage dauert, muss er seinen Flieger erst auf Samstagabend, dann auf Sonntag umbuchen. Er spricht Sonntagmorgen von einem Erfolg und entschwindet rasch aus dem Inkosi Albert Luthuli Convention Centre. Die anderen Delegierten haben kaum noch Kraft zum Klatschen, Dutzende liegen ohnehin draußen schlafend auf den Sofas.

Alles ist so unübersichtlich bis zum Ende, dass die Einigung auf den Fahrplan zum Weltklimavertrag fast untergeht. Es besteht aber laut Greenpeace die Gefahr, dass bis 2015 ein zu weiches Abkommen mit Ausnahmen für Länder wie China und Indien erarbeitet wird. Der Start 2020 sei auch viel zu spät. Große Klimaverschmutzer könnten sich bis dahin weiter darauf ausruhen, dass die EU als Gegenleistung das Kyoto-Protokoll bis zum Inkrafttreten des neuen Abkommens verlängern will. Es ist das bisher einzige bindende Klimaabkommen. Deutschland etwa will bis 2020 rund 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen.

Mehr Klimaschutz steht auch nach Durban erst einmal nur auf dem Papier. Es ist eine kleine Ironie, dass der nächste Klimagipfel Ende 2012 in Katar stattfinden wird. Das Land hat mit 40,12 Tonnen CO2 jährlich den höchsten Pro-Kopf-Ausstoß der gesamten Welt.

In Durban demonstrieren die Amerikaner - forsch unterstützt von Kanada - trotz der Einigung ihr Misstrauen gegenüber weltweiten Klimaverträgen. Auch mit einem Barack Obama im Weißen Haus gibt es einen enormen Widerstand im Kongress. Viele Amerikaner glauben nicht an eine Gefahr durch Klimawandel. Und China? Pendelt zwischen einem Fokus auf grünem Wachstum und einer billigen Energieversorgung mit fossilen Rohstoffen. Anders gesagt: Es pendelt zwischen EU und USA.

Ein Blick in das Archiv fördert Interessantes zutage in Bezug auf die Erfolgsgarantie hart errungener Klimakompromisse. Am 15. Dezember 2007 hieß es morgens in Eilmeldungen aus Bali: «Einigung auf Verhandlungsmandat für Klimaschutzvertrag». Und weiter: «Die Vertreter von mehr als 180 Ländern verständigten sich auf das Verhandlungsmandat für einen neuen Weltklimaschutzvertrag nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012». Eine sehr ähnliche Botschaft wird auch anno 2011 von Durban in die Welt gesandt - nur dass es jetzt bindende CO2-Minderungsverpflichtungen geben soll.

Der Schneckenfortschritt seit Bali ist auch ein Grund, warum viele am Sinn der Klimakonferenzen zweifeln, wo alle 193 Staaten sich einig sein müssen. Immer lauter werden Rufe, Klimapolitik zur Chefsache zu machen, etwa bei G20-Treffen. Denn Klimaforscher warnen, dass ohne mehr Handeln vier bis sechs Grad höhere Temperaturen bis 2100 drohen.

UN / Klima
11.12.2011 · 22:02 Uhr
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