Prozess wegen El-Kaida-Video wird neu aufgerollt
«Für das Strafmaß ist die Gemütslage des Angeklagten entscheidend», sagte die Richterin vor dem Amtsgericht in Stuttgart. Es müsse geklärt werden, ob der Angeklagte von dem Drohcharakter des Videos gewusst habe, als er es für gut zwei Tage auf die Internetplattform YouTube einstellte. Dazu sei ein beschleunigtes Verfahren nicht geeignet. Dem Mann wird durch das Verbreiten der Botschaft zur Last gelegt, den öffentlichen Frieden gestört zu haben.
In dem Video, das der 25-Jährige ins Netz stellte, droht der El- Kaida-Aktivist Bekkay Harrach Deutschland mit einem «bösen Erwachen» nach der Bundestagswahl, falls die Bundeswehrsoldaten nicht aus Afghanistan abgezogen werden sollten.
Nach eigenen Angaben wollte der Mann, den der Staatsanwalt als Einzeltäter einschätzt, mit dem Video seine Glaubensbrüder vor einem möglichen Anschlag warnen. Dass Harrach darin Deutschland drohte, habe er nicht gewusst. Er habe nur die Warnung an die Glaubensbrüder gekannt, in den zwei Wochen nach der Wahl möglichst zu Hause zu bleiben. Wegen des Trubels an Ramadan habe er sich erst nach Tagen das Video ganz angeschaut - und dann sofort herausgenommen.
Der Staatsanwalt belegte mit Computerdaten des Angeklagten allerdings, dass dieser mit dem «Dschihad» (Heiliger Krieg) sympathisiert hatte. Dies hatte er sogar in einer Mail selbst so geschrieben: «Was ich in den letzten Wochen merke, ist die Bereitschaft, in den Dschihad zu gehen.» Vor Gericht sagte der Angeklagte, er wisse nicht, was ihn zu jener Zeit im April dazu bewogen habe. «Ich war verwirrt.» Grundsätzlich lehne er Gewalt ab.
Das Harrach-Videos wurde auf YouTube fast 4000 mal angeklickt. Ein Ermittler vom Landeskriminalamt Stuttgart machte deutlich, dass dieses Video eine neue Dimension darstelle und dass in Folge dessen bundesweit die Kontrollen deutlich verschärft worden sein. Über dem Oktoberfest, das in dem Video ausdrücklich erwähnt wird, sei sogar eine Flugverbotszone eingerichtet worden. Dem nicht vorbestraften Angeklagten kann eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren drohen. Seit Ende September saß er in Untersuchungshaft. Nach Abbruch des beschleunigten Verfahrens kommt er jetzt auf freien Fuß, darf aber das Land nicht verlassen.