Politologe: «Man muss die Zivilgesellschaft beteiligen»
Zu den Erwartungen sprach die Deutsche Presse-Agentur dpa mit dem Politologen Hans-Georg Ehrhart, Leiter des Zentrums für europäische Friedens- und Sicherheitsstudien in Hamburg.
Was versprechen Sie sich von der Münchner Sicherheitskonferenz?
«Bemerkenswert ist das erweiterte Themenspektrum. Es geht nicht mehr nur um sicherheitspolitische Punkte. Die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise sowie die Umweltpolitik sollen diskutiert werden. Ursprünglich waren Kritiker nicht eingeladen, sondern haben eine Gegenveranstaltung gemacht. Dass sie nun besser miteinbezogen werden, finde ich sehr gut. Die Sicherheitskonferenz würde sich selbst ein Bein stellen, wenn sie eine Veranstaltung der Eliten bliebe.»
Wie schätzen Sie die Lage in Afghanistan ein?
«Zwar merkt man nach der Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar das Bemühen, wieder stärker zusammenzuarbeiten sowie zivil und militärisch zu investieren. Aber das hat an dem Vormarsch der Taliban nicht viel geändert. Außerdem bezweifle ich, ob man Taliban durch materielle Gegenleistungen dazu bewegen kann, die Seiten zu wechseln. Das ist mit vielen Schwierigkeiten behaftet: Wer ist ein bekehrenswerter Taliban? Wie kann man verhindern, dass die Mittel nicht einkassiert werden? Wer verhindert, dass die Bekehrten nicht doch wieder überlaufen? Diese Fragen müssen vorher geklärt sein.»
Was müssen die internationale Staatengemeinschaft und die NATO tun, damit sich die Situation am Hindukusch stabilisiert?
«Sie sollten die Regionen stärken, die noch nicht unter starkem Taliban-Einfluss stehen. Dann könnte man auch endlich Aufbau-Erfolge vorweisen. Es gibt viele Afghanen, die nichts mit den Taliban zu tun haben und immer noch auf entwicklungspolitische Hilfe warten. Es ist sinnlos, kriegerische Gebiete mit Entwicklungshilfe wieder unter Kontrolle bekommen zu wollen. Stattdessen sollte man noch einigermaßen friedliche Gebiete zu Leuchttürmen aufbauen, die dann eine Art Magnetwirkung auf kämpferische Regionen haben.»
In München soll es auch um das Thema Abrüstung gehen. Wie beurteilen Sie das?
«Obama hat die langfristige globale Abrüstung "Global Zero" angekündigt sowie die Verhandlungen über einen neuen Vertrag zur atomaren Abrüstung mit Russland in Gang gebracht. Die beiden Elemente hängen natürlich zusammen. Es reicht aber nicht aus, sich nur auf die strategischen Waffen zu beschränken. Zum Beispiel steht immer noch der Streit über einen angepassten KSE-Vertrag (Konventionelle Streitkräfte in Europa) aus, der von den USA blockiert wird, weil sie ihn nicht ratifizieren.»
Wie beurteilen Sie Obamas erstes Jahr?
«Er hat viele Baustellen im eigenen Land, die internationale Problemlösungen behindern. In jedem Fall kann man das allgemein besser gewordene internationale politische Klima als Erfolg werten. Es ist nicht mehr so angespannt wie unter der Bush-Regierung. Das bietet viele Chancen. Die Münchner Sicherheitskonferenz könnte einen kleinen Teil dazu beitragen, indem das offenere Klima genutzt wird. Es ist schon bemerkenswert, dass China erstmals mit einer so hochrangigen Delegation erscheinen wird.»