Opec+ kehrt Förderpolitik um – Markt rechnet mit Überangebot noch vor Jahresende
Die Opec+ hat am Sonntag angekündigt, ihre Rohölförderung ab September um weitere 547.000 Barrel pro Tag zu erhöhen. Damit ist die Rücknahme der freiwilligen Produktionskürzungen abgeschlossen, mit denen acht Mitglieder – darunter Saudi-Arabien, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate – seit Anfang 2024 versucht hatten, die Preise zu stabilisieren. Ursprünglich war geplant, täglich 2,2 Mio. Barrel weniger zu fördern, doch das Bündnis verlor zunehmend Marktanteile an Nicht-Opec-Länder wie die USA, Brasilien und Kanada.
Die Entscheidung zur vollständigen Rücknahme kommt schneller als erwartet: Ursprünglich sollte die Lockerung der Kürzungen schrittweise bis Ende 2025 erfolgen. Seit März allerdings dreht die Gruppe deutlich rascher an der Angebotsseite, was Marktteilnehmer überraschte. Allein die VAE erhalten zusätzlich 300.000 Barrel pro Tag – ein Signal dafür, dass auch innerhalb der Opec+ geopolitische Interessen zunehmend über die gemeinsame Preisstrategie dominieren.
Internationale Analysten warnen bereits vor einem drohenden Überangebot. TotalEnergies geht davon aus, dass Öl in absehbarer Zeit „im Überfluss vorhanden“ sein werde, besonders bei einer Verlangsamung des globalen Wachstums. Auch die Energieberater von Rystad und Energy Aspects erwarten ein stark abnehmendes Produktionswachstum außerhalb der Opec ab 2026 – was mittelfristig allerdings wieder zu Angebotsengpässen führen könnte.
Trotz der zusätzlichen Opec+-Barrel hält sich die Nachfrage bislang stabil – unterstützt durch die Sommersaison. Zwischen April und Mai sank der Brent-Preis um 19 Prozent unter 60 Dollar, hat sich aber zuletzt auf 69 Dollar erholt. Die geopolitische Unsicherheit durch den Israel-Iran-Konflikt und neue US-Handelsabkommen trugen dazu bei, den Preis zu stützen.
Noch immer gelten zwei zusätzliche Kürzungstranchen: eine freiwillige Kürzung von 1,65 Mio. Barrel pro Tag sowie ein gemeinsamer Schnitt aller Mitglieder von 2 Mio. Barrel. Beide laufen regulär bis Ende 2026. Wie dieses Volumen zurückgeführt wird, dürfte das nächste große Streitthema innerhalb des Kartells werden. Teilnehmer des jüngsten Opec+-Seminars in Wien beschrieben die Stimmung als „deutlich vorsichtig“ – viele rechneten mit einem klaren Angebotsüberhang in naher Zukunft.
Barclays wies in einer aktuellen Analyse darauf hin, dass Opec ihre freie Kapazität womöglich erstmals seit einem Jahrzehnt aktiv nutzen müsse. Auch das könne mittelfristig wieder zu höheren Ölpreisen führen – vorausgesetzt, die Angebotsflut wird nicht von einer hart einbremsenden Weltkonjunktur überlagert.


