Neue Unternehmenskonzepte: Existenzgründer setzen verstärkt auf vegan

Das Angebot an veganen und vegetarischen Produkten hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Europaweit wurden im Jahr 2015 sogar 36 Prozent der neuen veganen Lebensmittel in Deutschland auf den Markt gebracht. Juliane Schiersch, Projektleiterin beim VEBU (Vegetarierbund Deutschland), erklärt gegenüber finanzen.de, warum Existenzgründer diese Entwicklung nicht ignorieren sollten.

Existenzgründer brauchen nicht nur eine Finanzierung für ihr Unternehmen, sondern vor allem ein tragfähiges Konzept. Gerade, wenn Start-ups neue Entwicklungen am Markt aufgreifen, ist es wichtig, sich mit den Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe auseinanderzusetzen. Beispielhaft stehen hierfür zahlreiche Unternehmensgründungen in den letzten Jahren, die die wachsende Nachfrage nach vegetarischen beziehungsweise veganen Produkten bedienen.

Während es Veganer, also Menschen, die vollständig auf tierische Erzeugnisse verzichten, vor einem Jahrzehnt noch schwer hatten, in Restaurants, Kaufhäusern oder Supermärkten geeignete Lebensmittel oder Kleidung zu finden, steht ihnen heute eine weitaus größere Auswahl an Produkten zur Verfügung.

Dennoch schrecken trotz Interesses noch zahlreiche Existenzgründer davor zurück, sich auf diese Zielgruppe zu konzentrieren. Juliane Schiersch vom VEBU (Vegetarierbund Deutschland) erläutert, warum sich eine vegan-vegetarische Unternehmensphilosophie auszahlen kann.

Vegetarier und Veganer werden oft noch belächelt oder müssen sich für ihre Ernährungs- und Lebensweise rechtfertigen. Gibt es tatsächlich ausreichend Nachfrage, um sich als Existenzgründer auf diese Zielgruppe zu fokussieren?

Juliane Schiersch: Neben vegan und vegetarisch lebenden Menschen, die inzwischen rund zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, wird die Nachfrage nach Veggie-Produkten vor allem durch die sogenannten Flexitarier bestimmt. Flexitarier sind all diejenigen, die bewusst weniger Fleisch und andere tierische Lebensmittel essen. Hinzu kommen Verbraucher, die zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen ihren Fleischkonsum reduzieren. Diese Zielgruppe macht momentan in Deutschland etwa 56 Prozent aus und wird auch in Zukunft weiter wachsen. Da das Potenzial hier sehr hoch ist, raten wir Jungunternehmern in unseren Workshops ausdrücklich, die Flexitarier und gesundheitsbewussten Verbraucher in ihre Zielgruppe mit einzubeziehen.

Bei den Begriffen vegan und vegetarisch denken die meisten Menschen erst einmal an die Ernährung. Ist Ihnen bei Ihrer Arbeit schon einmal ein Gründungskonzept untergekommen, das selbst Sie verblüfft hat?

Juliane Schiersch: Spannend sind Produkte, die Verbraucher auf den ersten Blick gar nicht mit tierischen Bestandteilen in Verbindung bringen. Das fängt bei Bäckereien an und geht bis in den Non-Food-Bereich. Selbst wenn man darauf achtet, kein Leder oder keine Wolle zu verwenden, findet man im Bekleidungsbereich oft tierische Bestandteile, zum Beispiel bei Aufnähern und Knöpfen. Innovative Alternativen auf pflanzlicher Basis wie Hanf sprechen alle an, die etwas Besonderes suchen. Hanf ist aber nicht nur im Bekleidungsbereich zu finden. Auch als Nahrungsmittel findet es neben Lupinen und Erbsen immer mehr den Weg in die pflanzliche Küche und wird so auch immer häufiger in der Lebensmittelbranche verwendet.

Mich persönlich hat ein Start-up besonders überrascht, das sich mit seiner gesamten Produktlinie auf die Brennnessel konzentriert. Das Unternehmen stellt verschiedene Lebensmittel wie Tee oder Kekse mit dem gesunden Kraut her. Zunächst klingt das Konzept natürlich sehr ungewöhnlich, ergibt aber durchaus Sinn, da immer mehr Menschen auf ihre Gesundheit achten und deshalb immer häufiger auf sogenannte "Superfoods" zurückgreifen.

Was lernen vegetarisch-vegane Gründer bei den VEBU-Workshops, das bei normalen Gründungsberatungen gar nicht zur Sprache beziehungsweise zu kurz kommt?

Juliane Schiersch: In den VEBU-Workshops erhalten die Teilnehmer einen ausführlichen fachlichen Überblick über die Zielgruppe und den Markt für Veggie-Produkte und -Dienstleistungen. Je nach Bedarf vermittelt das Team vom VEBU und der Gründungsberateragentur ACT-Advanced Coaching and Training spezifische Marktdaten und weiteres Fachwissen. Viele Gründer buchen den Kurs, weil sie hier ein aufgeschlossenes Umfeld erwartet. Durch den Workshopcharakter und die bewusst kleine Teilnehmerzahl findet eine ausführliche Besprechung der einzelnen Ideen statt.

Da die Start-ups alle einen Bezug zur vegan-vegetarischen Lebensweise haben, profitieren die Teilnehmer sehr von dem Erfahrungsaustausch. Außerdem bietet der Kurs die Möglichkeit, sich mit anderen Start-ups zu vernetzen und auch über das Wochenende hinaus in Kontakt zu bleiben. Der nächste VEBU-Workshop findet am Samstag, den 18. November, in Berlin statt. Weitere Infos dazu gibt es online auf der Homepage des VEBU.

Aktuell hat der EuGH zur Benennung von Milch- und Milchproduktealternativen entschieden, wonach zum Beispiel der Begriff "Sojamilch" unzulässig ist. Müssen Unternehmer im vegan-vegetarischen Bereich andere Rechtsvorschriften beachten als ihre Kollegen im konventionellen Bereich?

Juliane Schiersch: Ähnlich strikte Regeln wie im Falle der Milchalternativen gibt es für andere vegan-vegetarische Produkte wie beispielsweise Fleischalternativen nicht. Für alle Unternehmen der Lebensmittelbranche, ob veggie oder nicht, gilt bei der Kennzeichnung die allgemeine Lebensmittelinformations-Verordnung der EU. Es ist vor allem wichtig, dass Gründer sich über die branchenspezifischen Vorschriften informieren.

Wer in der Lebensmittelbranche tätig ist, weiß, dass Inhaltsstoffe und insbesondere Allergene klar ausgewiesen werden müssen. Wie sieht es mit der Kennzeichnung von vegan-vegetarischen Lebensmitteln aus? Gibt es hier verbindliche Vorschriften?

Juliane Schiersch: Aktuell gibt es keine rechtsverbindliche Definition der Begriffe ‚vegan' und ‚vegetarisch'. Für den deutschen Raum gelten aber de facto bereits Definitionen, die auf den Vorschlägen des VEBU basieren. Diese hatte die Verbraucherschutzministerkonferenz 2016 empfohlen. Zusätzlich haben die Bundesländer beschlossen, sie bei der Lebensmittelüberwachung schon jetzt anzuwenden. Um Klarheit für Verbraucher zu schaffen, vergibt der VEBU das V-Label, ein international geschütztes Qualitätssiegel zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln. Gründer, die ihre Produkte mit dem V-Label lizenzieren lassen, schaffen damit Transparenz, Sicherheit und Orientierung für ihre Kunden. Start-ups und kleinere Unternehmen möchten wir eine günstige Möglichkeit bieten, das V-Label zu nutzen.

Welche Fördermöglichkeiten gibt es für vegetarisch-vegane Gründer?

Juliane Schiersch: Wer überzeugende und innovative Fleisch- und Käsealternativen entwickeln will, dem winken Risikokapital und Investments. Hier werden vor allem Alternativen für Fleisch gesucht, die in Geschmack, Faserstruktur, Konsistenz und Verhalten eine größtmögliche Ähnlichkeit zu Tierprodukten haben. Vorreiter für solch ein Konzept ist zum Beispiel das US-Unternehmen "Impossible Foods", eine Firma, die pflanzliche Burger herstellt und vom VC Koshla Ventures mit 183 Millionen US-Dollar gefördert wurde.

Für Veggie-Gründer gibt es die gleichen Gründungsfinanzierungsmöglichkeiten wie für andere Unternehmen. Da es sich oft um Produkte für den Endkonsumenten handelt, bietet sich zudem die Finanzierung durch Crowdfunding-Projekte an. Wie das funktioniert und ob es für die jeweilige Geschäftsidee eine Überlegung wert ist, erfahren Gründer ebenfalls in den VEBU-Workshops.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schiersch!

Verbrauchernews
[finanzen.de] · 26.07.2017 · 09:15 Uhr
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