Mutiger Versuch: Forscher wenden erstmals eine Genschere direkt im Körper an
Die Fehler im Erbgut, die zu Erbkrankheiten führen, sind mitunter winzig. Und dennoch können sie für Betroffene sehr starke Folgen haben. Die Medizin kennt etwa 10.000 Erbkrankheiten, bei denen ein Elternteil oder beide Elternteile defekte Gene an das Kind weitergeben. Eine Vielzahl dieser Krankheiten können nicht gut behandelt, geschweige denn geheilt werden. Mediziner aus den USA haben sich nun in Sachen Erbkrankheiten in Neuland vorgewagt: Sie testeten eine Gentherapie, bei dem die Genscheren direkt im Körper ihre Arbeit verrichten sollen.
CRISPR und seine Limitationen
Um die Methode zu testen, brachten die Forscher die winzigen Genwerkzeuge in das Blut eines Patienten ein, der an der Stoffwechselerkrankung Morbus Hunter leidet. Dabe handelt es sich um eine Erbkrankheit, die das Ergebnis einer Mutation an einem Gen ist, das in der Leber für die Kodierung eines Enzyms im Zuckerstoffwechsel zuständig ist. Ist das Enzym fehlerbehaftet oder fehlt komplett, so baut sich der Zucker im Blut nicht ab, sondern auf. Die Folge sind eine verzögerte körperliche und geistige Entwicklung, Probleme mit dem Organsystem und der Verlust von 20 IQ-Punkten pro Lebensjahr. Außerdem wird die Lebenszeit teils stark beschränkt. Der Erbgang der Krankheit ist X-chromosomal, weshalb die Krankheit im Ergebnis hauptsächlich an männlichen Nachwuchs vererbt wird. Bei dem betroffenen Patienten, dem 44-jährigen Brian Madeux, ist der Defekt nicht stark ausgeprägt. Dennoch musste er bereits 12 Mal wegen der Krankheit operiert werden.
Die Forschungen bezüglich der Therapie und Heilung von Erbkrankheiten konzentriert sich derzeit stark auf Gen-Editing. Dabei ist CRISPR/Cas 9 das modernste Verfahren, das ganz gezielt DNA verändern kann. CRISPR/Cas 9 wird derzeit aber im Rahmen von Studien nur dann eingesetzt, wenn die Zellen vorher dem Körper entnommen und nach der Behandlung wieder eingebracht werden. Das Einsatzgebiet dieser Methode ist dabei stark beschränkt, weil sie so in Organen wie der Leber oder dem Gehirn nicht eingesetzt werden können.
Gentherapie direkt im Körper
Da der Gendefekt von Brian Madeux in der Leber lokalisiert ist, mussten die Forscher eine andere Methode anwendeten. Sie griffen auf eine ältere Version der Gen-Schere namens namens Zinkfingernuclease (ZFNs) zurück. Diese Schere arbeitet etwas langsamer als CRISPR/Cas 9, führt aber dennoch zum gewünschten Erfolg. Zumal ist davon auszugehen, dass auch mit CRISPR auf diese Art und Weise gearbeitet werden kann, sollte das Experiment funktionieren.
Die Forscher nutzten deaktivierte Viren, um die Bauanleitung für die Genscheren und die Reparatur des betroffenen Gens in die Leber zu schleusen. Dort, so die Hoffnung des Teams, soll die Zellen sowohl die Scheren herstellen, die den Defekt reparieren, als auch das neue Gen in die DNA einbauen. So hoffen die Forscher, Brian Madeux komplett von Morbus Hunter befreien zu können.
„Ich habe jede Sekunde des Tages Schmerzen. Ich dachte, ich würde nicht länger als bis Anfang 20 leben“, so Madeux. Dank der innovativen Studie der Mediziner könnte das nun anders sein. Ob das Experiment Erfolg hatte, wird sich etwa in einem Monat zeigen. Die Ärzte sind aber optimistisch, da vorherige Tierversuche bereits erfolgreich waren.
via Associated Press