Missbrauchsskandal: Zollitsch will Papst informieren

Berlin (dpa) - Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat das Vorgehen der katholischen Kirche bei der Aufklärung im Missbrauchsskandal verteidigt. Er wolle im März Papst Benedikt XVI. informieren, sagte der Freiburger Erzbischof im Südwestrundfunk.

«Wenn die Linie, die wir als deutsche Bischofskonferenz haben, zu einer Art Generallinie wird in unserer katholischen Kirche, dann wird sicher auf Zukunft hin vieles besser werden.» Nicht einmal ein Drittel der Deutschen hält allerdings die katholische Kirche einer Umfrage zufolge für ehrlich. Der Tübinger Theologe Hans Küng gibt zudem dem Zölibats-Gebot für Geistliche eine Mitschuld an dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an katholischen Schulen.

Die Berliner Anwältin Ursula Raue, die im Auftrag des Jesuitenordens Missbrauchsfälle aufklären soll, sagte der «Berliner Morgenpost» (Samstag), es würden immer neue Fälle bekannt. Aus ganz Deutschland hätten sich bisher etwa 150 Opfer gemeldet. Jeden Tag berichteten ihr weitere Männer und Frauen von Übergriffen an katholischen Einrichtungen in den 1950er- bis 1980er Jahren, sagte Raue. Erste Missbrauchsfälle waren am Berliner Canisius-Kolleg Ende Januar öffentlich geworden. Im offenen Brief eines Betroffenen, den die «Morgenpost» veröffentlichte, heißt es über kirchliche Einrichtungen: «Sie sind schuldig durch Wegsehen.» Beschwerden von Eltern seien abgebügelt worden.

Raue hält die Entscheidung der Bischofskonferenz, den Trierer Bischof Stephan Ackermann mit der Aufklärung zu beauftragen, für unzureichend. Sie forderte dafür externe Mitarbeiter. «Sie dürfen nicht Teil der Organisation und Hierarchie sein», sagte Raue. Der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner, bestätigte am Samstag, dass der Missbrauchsbeauftragte Stefan Dybowski schon länger von seinem Amt entbunden werden will, weil er nach eigener Einschätzung nicht die nötige Distanz zu möglichen Tätern habe. Das Erzbistum wolle eine externe Kommission einsetzen.

Die Aufklärungsarbeit der Kirche war unter anderem von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisiert worden, weil nach ihrer Ansicht Verdachtsfälle nicht frühzeitig genug angezeigt werden. Zollitsch verwies dagegen auf die Angst vieler Opfer sexuellen Missbrauchs, vor Gericht zu gehen. Das sei der Hintergrund, warum die Bischöfe nicht in jedem Verdachtsfall eine sofortige Anzeige verlangten. Gleichzeitig signalisierte Zollitsch erneut Bereitschaft zu einem Gespräch mit der Ministerin. Im Sommer wollten die Bischöfe gemeinsam mit Organisationen und Experten Initiativen gegen den sexuellen Missbrauch Minderjähriger auf den Weg bringen.

Unterdessen erhielt der katholische Orden der Salesianer Don Bosco weitere Hinweise auf Missbrauchsfälle in seinem mittlerweile geschlossenen Berliner Kinderheim am Wannsee in den 1960er Jahren. Der betroffene Pater sei inzwischen dement. Befragungen von Ordensleuten und Mitarbeiter hätten auch ergeben, dass ein 2008 gestorbenes Ordensmitglied in den 60er Jahren in Untersuchungshaft saß. Die Akten dazu lägen aber derzeit nicht vor, sagte eine Sprecherin des Ordens am Samstag. In einem weiteren Fall sei 1955 gegen einen Pater Strafbefehl erlassen worden, weil er einen Schüler «körperlich» misshandelt habe. Der Pater, der später Direktor des Heimes wurde, musste eine Geldstrafe zahlen. In den kommenden Tagen will der katholische Orden einen Zwischenbericht vorlegen.

Zwei früher am Gymnasium Johanneum im saarländischen Homburg beschäftigte Patres wollen nach Missbrauchsvorwürfen Selbstanzeige erstatten. Das teilte das Bistum Speyer auf seiner Internetseite mit. Nach einem Bericht der «Saarbrücker Zeitung» leitete die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein Verfahren ein.

Nicht einmal ein Drittel der Deutschen hält nach einem Bericht des «Kölner Stadt-Anzeigers» (Samstag) die katholische Kirche im Missbrauchskandal für ehrlich. In einer Umfrage hätten die Deutschen auch wenig Vertrauen gezeigt, dass die Bischöfe bei der Aufklärung sexueller Missbrauchsfälle mithelfen werden. Nur knapp 20 Prozent der für eine zweite Studie Befragten geht nach einem Bericht der «Frankfurter Rundschau» (Samstag) davon aus, dass die Kirche zur Aufklärung beiträgt. Für die unterschiedlichen Studien im Auftrag der beiden Medien hat das Meinungsforschungsinstitut Omniquest 1000 Menschen befragt.

Küng schrieb in einem Beitrag für die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag), es sei auffällig, dass Kindesmissbrauch «massenhaft gerade in der von Zölibatären geleiteten katholischen Kirche» vorkomme. Das Zölibatsgesetz widerspreche dem Evangelium und gehöre abgeschafft, betonte der Theologie-Professor. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, forderte die katholische Kirche in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» auf, einen Entschädigungsfonds für Missbrauchopfer aufzulegen und unabhängige Sonderermittler in allen deutschen Bistümern einzusetzen.

Kirchen / Kriminalität / Schulen
27.02.2010 · 17:31 Uhr
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