Kundus-Affäre: Was wusste Merkel vor der Wahl?

Berlin (dpa) - Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor der Bundestagswahl von zivilen Opfern, militärischen Fehlern und einer gezielten Tötungsabsicht bei dem Luftangriff von Kundus konkret gewusst - dies aber nicht öffentlich gemacht.

Das wurde am Mittwoch in einer emotional aufgeladenen Fragestunde im Bundestag deutlich. Das Kanzleramt wurde aber erst mit mehreren Tagen Verzögerung über einen Bericht des verantwortlichen Oberst Georg Klein zu dem Angriff mit bis zu 142 Toten und Verletzten informiert. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geriet unterdessen unter neuen Erklärungsdruck.

Der von Guttenberg entlassene Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan erklärte, der Minister habe die «Unwahrheit» über die Umstände seines Ausscheidens gesagt. Die SPD zweifelte Guttenbergs Kompetenz an. Der Verteidigungsausschuss nahm unterdessen seine Arbeit als Untersuchungsausschuss auf. Auch Merkel und der frühere Außenminister und jetzige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sollen vor das Gremium geladen werden.

Zwar blieb in der Fragestunde im Bundestag offen, wer persönlich wann Kenntnis von den Vorgängen um die von dem deutschen Oberst Klein angeordnete Bombardierung in Afghanistan vom 4. September hatte. Das Verteidigungsministerium bestätigte aber, dass es am 7. September vertrauliche Informationen der internationalen Afghanistan- Schutztruppe ISAF erhalten und am Folgetag an die Obleute im Bundestag weitergegeben habe. Nach SPD-Angaben war in dem Bericht «dezidiert von zivilen Opfern und Regelverstößen» die Rede.

Verteidigungsstaatsekretär Christian Schmidt (CSU) räumte ein, dass sein Haus einen Bericht von Klein vom 5. September Merkel nicht mehr vor ihrer Regierungserklärung am 8. September zugeleitet habe. Klein schilderte nach Grünen-Angaben darin, dass er mit dem Angriff Taliban habe «vernichten» wollen. Das Kanzleramt bekam den Bericht Schmidt zufolge am 10. September - 17 Tage vor der Bundestagswahl.

Der Untersuchungsausschuss soll jetzt klären, wer zu welchem Zeitpunkt über die genauen Hintergründe des Bombardements auf zwei Tanklastzüge informiert war und wie diese Erkenntnisse weitergeleitet wurden. Auch Guttenberg - damals noch nicht im Amt - soll als einer der erste Zeugen gehören will.

Guttenberg hatte nach seiner Amtsübernahme den Luftschlag am 6. November zunächst als militärisch angemessen bezeichnet, sich aber am 3. Dezember korrigiert. Begründung der Kehrtwende: Zum Zeitpunkt seiner ersten Bewertung hätten ihm wichtige - kritische - Berichte der Bundeswehr nicht vorgelegen. Schneiderhan habe dafür die Verantwortung übernommen. Der Vier-Sterne-General warf wiederum Guttenberg in der Wochenzeitung «Die Zeit» vor, den Ablauf seiner Entlassung am 25. November falsch darzustellen. Guttenberg blieb bei seiner Darstellung, dass ihm Informationen vorenthalten worden seien. «Das ist unbestritten», sagte er im Bundestag.

Steinmeier forderte Guttenberg abermals zur Aufklärung auf. «Sie wussten am 6. November, dass es Fehler gegeben hat, dass es zivile Opfer gegeben hat.» Steinmeier sagte, er vermute, Guttenberg habe aber «der Truppe gefallen» wollen und sei deshalb über kritische Passagen in den vorliegenden Berichten hinweggegangen. Als Guttenberg der Wind «im Gesicht» gestanden habe, habe dieser «forsch» das Gegenteil vertreten. Guttenberg konterte, alle Fraktionen - auch die der Opposition - seien früh über all die Dinge informiert gewesen, die später in den Medien auftauchten und für Empörung sorgten. «Die Welle der Empörung dürfte sie selbst treffen», sagte er.

Klein soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa den Luftschlag unter dem Eindruck von Geheimdienstangaben zu Plänen der Taliban zur Erstürmung des Bundeswehrfeldlagers in Kundus befohlen haben. Der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) hätten in den Wochen vor dem Luftangriff einen Drei-Stufen-Plan der Taliban aufgedeckt, mit Tanklastern, Selbstmordattentätern und einer Vielzahl bewaffneter Kräfte den deutschen Stützpunkt zu brechen. Die Recherchen sollen in der Bundesregierung bekanntgewesen sein. Schmidt sagte, er habe dafür keine Bestätigung gefunden. Er wies aber darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden von Anschlagsplänen gewusst hätten.

Konflikte / Bundeswehr / Untersuchungsausschuss / Afghanistan
16.12.2009 · 22:16 Uhr
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