Genetikpionier vor dem Aus: 23andMe meldet Insolvenz an und verliert CEO
23andMe hat in der Nacht zum Montag Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt und damit ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte eines einst hochgehandelten Biotech-Start-ups eingeleitet. Zeitgleich trat Mitgründerin und CEO Anne Wojcicki zurück – bleibt dem Unternehmen jedoch als Verwaltungsratsmitglied erhalten.
Der Antrag beim US-Konkursgericht in Missouri markiert den vorläufigen Tiefpunkt eines steilen Abstiegs: Noch 2021 hatte 23andMe bei seinem Börsengang via SPAC ein Enterprise Value von über sechs Milliarden Dollar. Heute liegt dieser laut Analystenschätzungen faktisch bei null – das verbliebene Kassenvermögen entspricht dem Börsenwert.
Wojcicki erklärte, sie wolle weiterhin versuchen, die Vermögenswerte des Unternehmens aufzukaufen. Bereits zuvor hatte sie mehrere gescheiterte Anläufe unternommen, 23andMe zu privatisieren, konnte jedoch weder den alten noch den neuen Verwaltungsrat von einem Rückkauf überzeugen. Der vorherige Board trat geschlossen zurück, zuletzt scheiterte auch ein weiteres Angebot.
Über 15 Millionen Menschen weltweit haben dem Unternehmen ihre DNA-Proben überlassen – ein beispielloser Datenschatz, der nun im Rahmen der Insolvenz Teil des Verwertungsprozesses werden könnte. Kaliforniens Generalstaatsanwalt Rob Bonta erinnerte Kunden deshalb daran, ihr Recht auf Datenlöschung auszuüben. 23andMe betonte, dass jeder Käufer gesetzlich zur Einhaltung des Datenschutzes verpflichtet sei.
Zentraler Schwachpunkt des Geschäftsmodells war von Anfang an die Einmaligkeit der Dienstleistung. DNA-Tests werden in der Regel nur einmal durchgeführt – ein strukturelles Problem für den Aufbau eines wiederkehrenden Umsatzmodells. Weder der Versuch, kostenpflichtige Abo-Dienste für Gesundheitsreports zu etablieren, noch die Verwertung der Daten in Lizenzmodellen mit Pharmaunternehmen trugen nachhaltig zur Profitabilität bei.
Auch Wojcickis ambitionierter Plan, aus den gesammelten Genomdaten eigene Medikamente zu entwickeln, scheiterte letztlich an Finanzierungsengpässen. Steigende Zinsen erschwerten Kapitalbeschaffung für forschungsintensive Biotech-Vorhaben – nicht nur bei 23andMe, sondern in der gesamten Branche.
Mehrere Entlassungswellen, darunter eine Kürzung um 40 Prozent der Belegschaft im November, reduzierten zuletzt den strategischen Radius des Unternehmens deutlich. Mit Joe Selsavage übernimmt nun der bisherige CFO interimistisch die Geschäftsführung.