Euro auf der Kippe: Kann nur die EZB es richten?

Frankfurt/Main (dpa) - Die Lage ist ernst. Seit Monaten mühen sich die Europäer, ihre gemeinsame Währung zu retten.

Längst ist die Schuldenkrise auch eine Euro-Krise. Nachdem mit Italien die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone in den Abwärtssog geriet, wird der Ruf nach noch drastischeren Eingriffen der Europäischen Zentralbank (EZB) lauter. Viele meinen, nur die EZB könne den Euro retten.

Welche Möglichkeiten hat die EZB?

Der Notenbank sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Erstes Mittel zur Steuerung der Märkte sind im Fall der EZB die Zinsen. Monat für Monat bewerten die Währungshüter neu, wie billig oder teuer Geld im Euro-Raum sein soll. Gerade hat die EZB den Leitzins wieder von 1,5 auf 1,25 Prozent gesenkt, was die Konjunktur ankurbeln kann. Die EZB kann auch die Notenpresse anwerfen, um gezielt mehr Geld in den Markt zu pumpen. Das tat sie in der Bankenkrise der Jahre 2008/2009, damit das Finanzsystem nicht kollabierte. Seit Mai 2010 kauft die EZB Anleihen von Schuldenstaaten wie Griechenland und zuletzt auch Italien, damit diese für ihre Schulden keine utopischen Zinsen bezahlen müssen. Nach jüngsten Angaben hat die EZB insgesamt Staatspapiere im Volumen von 183 Milliarden Euro in den Büchern.

Was soll die EZB im Fall Italiens noch tun?

Schon der Kauf der Staatsanleihen gilt als Tabubruch und ist heftig umstritten, weil die EZB damit faktisch die Schulden der Euro-Staaten in ihre Bücher nimmt - ungewiss, ob sie jemals getilgt werden. Wegen der Größe Italiens fordern Ökonomen noch drastischere Maßnahmen. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer schlägt im «Handelsblatt» (Freitag) vor, die EZB müsse eine Obergrenze von fünf Prozent für die Renditen italienischer Staatsanleihen festsetzen und dann bereit sein, dieses Zinsniveau mit unbegrenzten Mitteln zu verteidigen.

Was hieße das in der Praxis?

Die EZB müsste so lange italienische Staatsanleihen kaufen, bis sich das Zinsniveau am Markt wieder normalisiert. Manche Ökonomen meinen, die Notenbank sollte dabei nicht wie bisher nur Papiere kaufen, die bereits im Umlauf sind, sondern auch aus erster Hand bei den Staaten zugreifen. Dafür müsste die Notenbank viel Geld in die Hand nehmen und voraussichtlich die Notenpresse anwerfen. Angesichts der Masse italienischer Bonds auf dem Markt ist aber keineswegs sicher, dass es der EZB überhaupt gelingen würde, die Renditen dauerhaft zu drücken.

Wo sind die Risiken eines solchen Notfalleinsatzes?

Über allem steht die Sorge vor mehr Inflation. Je weiter die EZB ihre Geldschleusen öffnet, umso größer ist die Gefahr der Geldentwertung. Gerade die traditionell auf eine stabile Währung bedachte Deutsche Bundesbank sieht die Entwicklung mit Sorge. Dagegen meint unter anderem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der EZB werde nichts anderes übrigbleiben, als Regeln über Bord zu werfen, «sonst scheitert das ganze Euro-Projekt». Dem «Handelsblatt» sagte der Amerikaner, man dürfe das Thema Inflation «nicht überstrapazieren»: «Fallende Rohstoffpreise werden die Geldentwertung in Schach halten.» Krugman stammt aus einem Land, in dem die Uhren anders ticken: Die US-Notenbank Fed ist gemäß ihrem Auftrag nicht nur für stabile Preise zuständig, sondern soll auch Wachstum und Beschäftigung unterstützen.

Widerspricht ein Eingreifen der EZB nicht ohnehin ihrem Auftrag?

Ja. Der Vertrag von Maastricht verpflichtet die EZB nur zur Wahrung stabiler Preise. Das heißt: Die Währungshüter sollen die Inflation im Euro-Raum im Zaum halten, damit der Euro ein starkes Zahlungsmittel bleibt. Der EZB-Rat definiert Preisstabilität bei einer jährlichen Teuerungsrate von «unter, aber nahe zwei Prozent» - ein Ziel, das die EZB seit der Euro-Einführung 1999 erreicht hat. Noch-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark mahnt gebetsmühlenartig, zuletzt in dieser Woche: «Die EZB darf nicht über ihr Mandat hinausgehen. Nur für die Sicherung von Preisstabilität besitzt sie demokratische Legitimation und wurde sie unabhängig von politischem Einfluss gestellt.»

Ändert die EZB unter ihrem neuen Präsidenten Draghi den Kurs?

Mario Draghis erste Amtshandlung war eine Zinssenkung. Das trug dem Italiener den Ruf ein, er sei wohl doch kein geldpolitischer Hardliner («Falke»), sondern bevorzuge in der Krise eine eher lockere Geldpolitik («Taube»). Draghi selbst bemühte sich, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Er lobte die Stabilitätspolitik der Bundesbank und versicherte, die EZB halte unvermindert an ihrem Auftrag der Preisstabilität fest. Draghi betonte auch, die Sondermaßnahmen wie der Kauf von Staatsanleihen seien sowohl zeitlich wie vom Umfang her begrenzt. Letztlich ist die EZB die Hüterin des Euro. Die Gemeinschaftswährung ist zugleich ihre Daseinsberechtigung.

EU / Finanzen / EZB
11.11.2011 · 15:14 Uhr
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