Endspurt für Volksentscheid in Hamburg
Da am Sonntag ein äußerst knappes Ergebnis erwartet wird, warben zum Endspurt Vertreter von Parteien und Initiativen intensiv für eine Teilnahme an Hamburgs erstem verbindlichen Volksentscheid. Zugleich gingen die Spekulationen über einen Rückzug von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aus Deutschlands erstem schwarz-grünen Regierungsbündnis auf Landesebene weiter. Dem 55 Jahre alten Regierungschef wird nach fast neun Jahren als Bürgermeister Amtsmüdigkeit nachgesagt.
Hamburgs CDU- und Fraktionschef Frank Schira appellierte an seine Parteikollegen, sich genau zu überlegen, was sie in der Öffentlichkeit sagen. «Wir haben einen guten Bürgermeister und hoffen, dass er es noch lange bleibt», sagte er dem «Hamburger Abendblatt» (Freitag) und fügte an: «Ein jeder sollte abwägen, ob und wie er sich dazu äußert.» Zuletzt hatte Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) für Irritationen in der Partei gesorgt. Er hatte der «Welt» gesagt, er könne sich das Bürgermeisteramt grundsätzlich vorstellen. Auch Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) wird als potenzieller Nachfolger gehandelt.
Beust selbst hat sich bisher nicht geäußert, ließ der «taz» aber ausrichten, zu dem «Gequatsche» nicht Stellung nehmen zu wollen. Für Sonntagnachmittag hat Schira den CDU-Vorstand in die Parteizentrale gebeten. Dort wird auch Beust erwartet.
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), kritisierte die Schulreform scharf. «Ich (...) lehne eine Einheitsschule, wie sie jetzt in Hamburg geplant ist, als bayerischer Kultusminister ab», sagte er der «Bild»-Zeitung (Samstag). Gleichwohl könne er sich vergleichbare Abituraufgaben in allen Ländern vorstellen. «Mit einem bundesweit vergleichbaren Abitur kann die Qualität im deutschen Bildungswesen gehoben werden.»
Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) forderte von seiner Partei eine einheitliche Schulpolitik. «Es ist höchste Zeit, dass die Union sich mit der Frage beschäftigt, was ihr bildungspolitischer Ansatz ist», sagte er der «Financial Times Deutschland». Dem wollte Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) nicht folgen. «Ich bin der Ansicht, dass der Weg zum Erreichen vergleichbarer Bildungsabschlüsse, wie ihn die Kultusministerkonferenz festgelegt hat, durchaus unterschiedlich sein darf», sagte er der dpa.
Baden-Württembergs Kultusministerin Marion Schick (CDU) betonte im SWR, Bildungsgerechtigkeit könne nur durch mehr Unterrichtsqualität und nicht durch strukturelle Reformen hergestellt werden. Im Saarland, wo eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen regiert, erwartet der dortige Bildungsminister Klaus Kessler (Grüne) keinen so massiven Widerstand gegen die dort ebenfalls geplante Verlängerung der Grundschulzeit wie in Hamburg. «Die massive Phalanx der Gegner, die in Hamburg auch klare Sprachrohre besitzen, sehe ich bei uns nicht.»
Hamburg entscheidet am Sonntag, ob es künftig statt vierjähriger Grundschulen nur noch sechsjährige Primarschulen geben soll. Während alle Fraktionen der Bürgerschaft der Auffassung sind, dass durch ein längeres gemeinsames Lernen mehr Gerechtigkeit in das Schulsystem einzieht, glauben die Reformgegner um die Initiative «Wir wollen lernen», dass Primarschulen kontraproduktiv sind. Sie gefährdeten die Gymnasien, behinderten leistungsstarke Schüler und benachteiligten schwächere Schüler. Auch der Lehrer- und der Deutsche Philologenverband (DPhV) warnten erneut vor einer sechsjährigen Primarschule.
Die Primarschulen sind Teil der größten Schulreform in der Nachkriegsgeschichte der Hansestadt, die bei mehr Lehrern und kleineren Klassen neben Primarschulen nur noch Stadtteilschulen und Gymnasien vorsieht. Nach Angaben des Landeswahlamts haben sich bis Freitag knapp 428 000 der fast 1,3 Millionen Wahlberechtigten bereits per Briefwahl an dem Volksentscheid beteiligt. Ein vorläufiges Endergebnis wird am Sonntagabend gegen 23.00 Uhr erwartet.