Analyse: NPD verliert in Sachsen Einfluss
Zu groß sind die Verluste in ihrer Hochburg, wo sie 2004 auf 9,2 Prozent kam und nun bei mageren 5,6 Prozent landete. In ihrer westdeutschen Bastion Saarland rutschte die Partei von vormals 4 Prozent auf 1,5 Prozent wieder in Richtung Bedeutungslosigkeit. Lediglich in Thüringen gelang es mit massiver Plakatierung, mehr Wähler anzulocken. Statt 1,6 Prozent votierten diesmal 4,3 Prozent für für die Rechtsextremen.
Entsprechend differenziert fielen die Bewertungen am Tag nach den Landtagswahlen aus. «Das Glas ist halb voll und halb leer - beides», kommentierte der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckard Jesse. Der Professor stuft die Verluste höher ein als den Wiedereinzug der NPD in den sächsischen Landtag. Eine Präsenz der Rechtsextremen sei nicht der Untergang des Abendlandes. «Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern steht Deutschland gut dar. Der Rechtsextremismus ist hier unterrepräsentiert. Das ist bei uns Bodensatz.» Natürlich werde aber wegen der Geschichte mit Argusaugen auf Deutschland geschaut.
Auch der sächsischen NPD ist klar, dass sich ihr Ergebnis nur schwer als klarer Erfolg verkaufen lässt. Anders als vor fünf Jahren präsentierte sie sich am Sonntag eher kleinlaut. Auf der Wahlparty war zunächst kein Jubel zu hören. Die gedämpfte Stimmung hielt Fraktionschef Holger Apfel nicht davon ab, den Wiedereinzug als «Sieg für die Demokratie» zu feiern. Am Montag räumte Apfel beim Twittern Enttäuschung ein: «Besseres Ergebnis erhofft, aber Fakt ist: Die NPD- Sachsen hat nach 2004 am 30. August erneut Parteigeschichte geschrieben.» Apfel hatte freilich mit 10 Prozent plus X gerechnet.
Manchmal helfen die nackten Zahlen, um das ganze Ausmaß deutlich zu machen. In Sachsen verlor die NPD bezogen auf die Landtagswahl 2004 mehr als 90 000 Wähler, im Saarland waren es knapp 9500 und damit fast die Hälfte. In Thüringen steht ein positives Saldo von 29 706 zu Buche. Interessant ist, zu welchen Parteien die abtrünnigen Wähler wechselten. Aus der Wahlanalyse von Infratest dimap geht hervor, dass die NPD in Sachsen die meisten Stimmen an Nichtwähler verlor (39 000). Zur FDP gingen 15 000, zur CDU 11 000. Die Linken und SPD sind mit je 3000 Wählern aus dem NPD-Lager gelistet.
Für den Politikwissenschaftler Werner Patzelt ist das ein klarer Fall. «Der NPD haben diesmal die Wähler gefehlt, die 2004 gegen die Agenda 2010 protestierten.» Im Gegensatz zu Jesse sieht Patzelt den Beleg erbracht, dass die Rechtsextremen zumindest in Sachsen inzwischen Stammwähler haben. Er verweist darauf, dass die NPD dort in allen Kreistagen und vielen Kommunalparlamenten sitzt. «Mit den Geldern, die sie aus der Fraktionsfinanzierung erhält, kann sie weiter ihre Infrastruktur aufbauen.» Zuletzt waren das in Sachsen rund 100 000 Euro Steuergeld pro Monat.
Von solchen Summen kann die NPD-Bundespartei angesichts leerer Kassen und drohender Millionen-Strafgelder derzeit nur träumen. Dennoch stand für Parteichef Udo Voigt, der mit der Sachsen-NPD über Kreuz liegt, am Wahlsonntag die «historische Stunde» der Partei erst noch bevor. Lediglich beim Zeitpunkt wollte er sich nicht genau festlegen - irgendwann «nach der Bundestagswahl» soll es so weit sein. Jesse sieht ein ganz anderes Szenario. Er glaubt, dass Voigt aus dem Richtungsstreit mit den Sachsen geschwächt hervorgeht und Apfel Aussichten auf den Parteivorsitz hat.