Analyse: Merkels Draht zu China

Berlin (dpa) - Für die Bundeskanzlerin ist es ein schmaler Grat. Deutschland macht Milliarden-Geschäfte mit China, wo Regimekritiker unterdrückt werden. Merkel will nicht wegsehen. Die Frage ist, wie offen sie sprechen kann.

Den Wunsch von Amnesty International wird die Kanzlerin kaum erfüllen. Menschenrechtsverletzungen in China solle Angela Merkel (CDU) offen und nicht hinter verschlossenen Türen ansprechen, forderte die Menschenrechtsorganisation vor den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen an diesem Dienstag in Berlin. Doch ein hoher deutscher Diplomat sagte am Montag in Berlin: «Wenn man ein Ergebnis erzielen will, ist es nicht angemessen, wenn man die Fälle öffentlich und individuell anspricht.»

Was China davon hält, öffentlich auf Menschenrechtsfragen angesprochen zu werden, machte Ministerpräsident Wen Jiabao kurz vor seiner Ankunft in Berlin deutlich. In London sagte er bei einem Auftritt mit Großbritanniens Premierminister David Cameron am Montagnachmittag: «Mit Blick auf die Menschenrechte sollten China und das Vereinigte Königreich sich gegenseitig akzeptieren, die Fakten berücksichtigen, einander als Gleiche behandeln.» Unstimmigkeiten sollten im Dialog geklärt werden, sagte Wen.

Im Dialog. Zwischen Deutschland und China gibt es einen Menschenrechtsdialog und einen Rechtsstaatsdialog. Das sind Treffen, bei denen deutsche und chinesische Diplomaten über schwierige Themen und über Lösungen etwa für Inhaftierte sprechen.

Den Menschenrechtsdialog hatte China vorübergehend gestoppt, als Merkel 2007 den Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, im Kanzleramt empfangen hatte. China, das Tibet seit 1951 besetzt hält, empfand das als «Einmischung in innere Angelegenheiten» und sprach erst einmal nicht mehr. Merkel hatte mit dem Empfang des Dalai Lama China klargemacht, dass sie sich ihre Gäste nicht vorschreiben lässt. Und sie hat nicht einmal groß Menschenrechtsverletzungen in China anprangen müssen. Der Dalai Lama im Kanzleramt war Symbol genug.

Das Verhältnis zwischen Merkel und Wen hat sich über die Jahre wieder verbessert. Ihr Besuch im vorigen Jahr in Peking und Xi'an gilt als eine Wegmarke. Wen, immerhin Regierungschef eines Milliarden-Volkes, nahm sich sehr viel Zeit für die Kanzlerin der vergleichsweise kleinen Bundesrepublik. Und immer ist die deutsche Wirtschaft mit einer großen Delegation dabei. Ganz vorne BASF, Siemens, Daimler, VW. In der Regel geht es hier immer um Milliarden-Geschäfte.

«Nachholbedarf» sieht die Bundesregierung bei Chinas Investitionen in Deutschland. Die belaufen sich den Angaben zufolge auf bislang nur 600 Millionen Euro, während Deutschland in China 20,7 Milliarden Euro investiert hat. Ein wunder Punkt für China wiederum ist, dass Deutschland dem Land - der zweitgrößten Volkswirtschaft mit einem Wirtschaftswachstum von 10,3 Prozent im vorigen Jahr - nicht den Status einer Marktwirtschaft einräumen will. Grundsätzlich sei Deutschland dazu bereit, wenn China einige Bedingungen erfülle, heißt es in Berlin. Es müsse seine Marktzugangsbeschränkungen für ausländische Firmen aufgeben.

Die ersten Regierungskonsultationen gelten auf beiden Seiten als großer Fortschritt in den Beziehungen. Deutschland unterhält nur noch mit sieben anderen Ländern solche Treffen. China habe kaum vergleichbare Konsultationen, heißt es auf deutscher Seite. Auch an diesem Dienstag werden große deutsche Unternehmen davon profitieren.

Ob Merkel bei einer solch positiven Entwicklung den Dalai Lama noch einmal ins Kanzleramt einladen würde, wird der Diplomat gefragt. «Das ist eine hypothetische Frage», antwortet er. Dass die Bundeskanzlerin aber sehr skeptisch bleibt, was die Menschenrechtslage in China betrifft, lässt er mit dieser Formulierung durchblicken: Die Entlassung des regimekritischen chinesischen Künstlers Ai Weiwei nennt er eine «Freilassung in Anführungsstrichen». Denn Ai darf Peking nicht verlassen und muss mit erneuter Haft rechnen, wenn er redet.

International / Deutschland / China
27.06.2011 · 23:02 Uhr
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