Analyse: Führungswechsel in großer Harmonie

Rostock (dpa) - Selbst der Gegenkandidat von Klaus Ernst hatte nichts an seinem «Konkurrenten» auszusetzen.

«Meine Kandidatur ist keine Kandidatur gegen Klaus Ernst», sagte Heinz Josef Weich, Kreisvorsitzender im niedersächsischen Schaumburg, in seiner Bewerbungsrede für den Vorsitz der Linken. «Ich kandidiere, um zehn Minuten Redezeit auf dem Parteitag zu haben.»

Der Schweinezüchter, Elektromonteur und Mathematiklehrer («Ich werde von allen Josef genannt») legte einen kaberettreifen Auftritt hin und hatte damit möglicherweise auch seinen kleinen Anteil daran, dass Ernst ein überraschend gutes Wahlergebnis erzielte.

74,9 Prozent Zustimmung erhielt der 55-jährige Bayer von den Delegierten. Vor zwei Jahren war Ernst mit nur 59,2 Prozent zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden. Ernsts Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch kam sogar auf 92,8 Prozent der 557 gültigen Stimmen. Das ist das bisher beste Ergebnis bei einer Vorsitzendenwahl der Linken. Lötzsch übertraf damit die Gründungsväter der Partei, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, die 2007 und 2008 schlechter abschnitten.

Noch vor wenigen Wochen hätte kaum jemand in der Partei eine so große Unterstützung für das neue Führungsduo für möglich gehalten. Die Nominierung des Gewerkschafters und Porschefahrers Ernst hatte im Januar viel Unmut in der Partei verursacht. Befürchtungen, der Parteitag in Rostock könnte im Chaos versinken und die Partei vor eine Zerreißprobe stellen, machten die Runde. Am Samstag schien das alles vergessen zu sein. Niemand erhob die Stimme gegen Ernst, niemand wollte ihn vor den versammelten Delegierten kritisierten.

Für den Stimmungsumschwung gibt es gleich mehrere Gründe. Im April billigte die Parteibasis mit der überraschend großen Mehrheit von 84,5 Prozent die neue Führungsstruktur mit einer Doppelspitze, der mindestens eine Frau angehören muss. Noch viel mehr dürfte aber der Erfolg bei der Schlüsselwahl in Nordrhein-Westfalen zur Harmonie in Rostock beigetragen haben. Die Linke ist damit auch im Westen fest etabliert. Im größten Bundesland scheint jetzt sogar ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis möglich zu sein, das auch ein deutliches Zeichen für die Bundestagswahl 2013 setzen könnte.

Das neue Führungsduo hat nun einen satten Vertrauensvorschuss für die vor ihm liegenden schwierigen Aufgaben. Dazu gehört zunächst einmal die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen, aus der sich die Bundespartei wohl kaum heraushalten wird. In den nächsten eineinhalb Jahren steht zudem eine schwierige Debatte über den umstrittenen Entwurf für ein Grundsatzprogramm an, das Ende 2011 verabschiedet werden soll.

Und der Fusionsprozess wird die beiden ebenfalls in Anspruch nehmen. Auch drei Jahre nach dem Zusammenschluss der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei/PDS gibt es immer noch große politische, strategische und kulturelle Differenzen zwischen den ost-und westdeutschen Landesverbänden.

Die eindringlichsten Momente des Parteitags waren aber nicht der Wahl von Lötzsch und Ernst, sondern dem Abschied von ihren Vorgängern Lafontaine und Bisky vorbehalten. Lafontaine hatte im Januar nach einer Krebsoperation aus gesundheitlichen Gründen seinen Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt. Bisky hatte sich schon weit vorher entschieden, aufzuhören. Fraktionschef Gregor Gysi, der auch als Architekt der neuen Führung gilt, übernahm die Laudatio auf die scheidenden Vorsitzenden.

Er erinnerte daran, dass Bisky 2003 in schwierigen Zeiten mit seiner erneuten Kandidatur als Vorsitzender der Linkspartei die Partei rettete. Und er erinnerte er daran, dass Lafontaine die maßgebliche Kraft bei der Vereinigung der linken Parteien in Ost und West war. «Oskar, ohne dich gäbe es uns so gar nicht. Deshalb danke», sagte er.

Bisky wird der Partei weiterhin als Vorsitzender der Europäischen Linken und als Fraktionsvorsitzender im Europaparlament dienen. Und Lafontaine hat bereits mehrfach angekündigt, dass er weiterhin in der Bundespolitik mitmischen will. «Er wird uns auch in Zukunft Ratschläge erteilen, wenn wir ihn fragen», sagte Gysi. «Und wie ich ihn kenne, macht er das auch, wenn wir ihn nicht fragen.»

Parteien / Linke / Parteitag
16.05.2010 · 08:35 Uhr
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