Analyse: Tragisches Ende an tragischem Ort

Katyn (dpa) - Ein «verfluchter Ort», eine «schreckliche Symbolik»: Der Wald bei Katyn in Russland ist für den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski zum Grab geworden.

Als sein Flugzeug mit mehr als 90 Insassen am Samstag bei Smolensk abstürzt, warten in der nahen Gedenkstätte Katyn auf dem polnischen Soldatenfriedhof viele Menschen auf die Delegation aus Warschau. Dann über Lautsprecher die unfassbare Nachricht: Der Präsident, der an diesem Tag in Russland an den Stalin-Terror erinnern wollte, ist tot. Die Anwesenden brechen in Tränen aus, sie beten, halten Rosenkränze. Fremde Menschen, unter ihnen viele betagte Nachkommen der mehreren tausend Katyn-Opfer, umarmen und trösten sich. Russen und Polen sind unter Schock.

Immer wieder weinen Menschen beim Anblick der leeren Sitze in Katyn, wo Kaczynski, seine Frau Maria und die hohe Delegation Platz nehmen sollten. Die Stühle werden zum Symbol der traurigen Leere, die viele plötzlich spüren. Es ist ein tragisches Ende an einem tragischen Ort: 70 Jahre nach dem Massenmord von Katyn verliert Polen in der Region erneut einen Teil seiner Elite. «Ein verfluchter Ort!», entfährt es vielen Polen.

Kurz nach der Katastrophe zeigt das russische Fernsehen erschütternde Bilder von der Absturzstelle etwa zwei Kilometer südlich der Stadt Smolensk. Das Mittelstreckenflugzeug vom Typ Tupolew-154 hat beim Aufprall auf Bäume eine gewaltige Schneise in einen Wald geschlagen. Neben umgerissenen Bäumen stecken rauchende Trümmer der Maschine tief im Boden.

In einem Wipfel hängt das Fahrwerk. Aus einigen Wrackteilen des in den polnischen Farben Rot und Weiß gestrichenen Flugzeugs ist das Klingeln von Mobiltelefonen zu hören. Feuerwehrleute versuchen, das brennende Wrack zu löschen. Es ist ein Bild des Grauens. Viele Menschen werden bei dem Aufprall zerrissen oder verbrennen, was später ihre Identifizierung zusätzlich erschwert.

Wie verloren steht neben dem zentralen Mahnmal in Katyn ein hohes leeres Gestell, auf das Kaczynski einen Kranz für die Opfer legen wollte. Im Fernsehen sind zwischen Eichen, Birken und Buchen Nebelschwaden zu sehen, das Thermometer am örtlichen Museum zeigt plus drei Grad. «Lasst uns für die Opfer des furchtbaren Absturzes beten», sagt in der Gedenkstätte einer der Redner der Zeremonie. Am Sonntag wehen hier die Fahnen auf Halbmast. Menschen legen Blumen nieder und zünden Kerzen an. Katyn versinkt wieder in Trauer.

In Warschau spricht der polnische Ex-Präsident Alexander Kwasniewski von einer «schrecklichen Symbolik». Denn Kaczynski wollte in Katyn mit mehreren hundert Opferfamilien jener polnischen Offiziere gedenken, die dort vom sowjetischen Geheimdienst NKWD im Frühjahr 1940 ermordet worden waren. Die Geschichtspolitik, darunter die Würdigung der Kriegsopfer, ist Kaczynski immer Herzenssache gewesen. Er wollte zunächst bereits am vergangenen Mittwoch beim ersten gemeinsamen Gedenken der Regierungschefs Donald Tusk und Wladimir Putin in Katyn dabei sein. Weil er keine russische Einladung bekommen hatte, verschob der Präsident seinen Besuch um drei Tage.

Die Notwendigkeit einer Privatreise von Kaczynski nach Katyn zeigt, wie tief die Gräben zwischen Moskau und Warschau noch sind. Putin und Tusk versuchen seit längerem mit gemeinsamem Gedenken eine vorsichtige Annäherung - mit Blick in die Zukunft. Bei ihrem neuen Treffen in Katyn am Samstag legen sie gemeinsam Blumen für die Opfer nieder. Die Frage, die sich viele nun stellen: Wird diese neue Tragödie zwischen Russen und Polen zur weiteren Belastung oder kann sie zur schnelleren Versöhnung führen? Russland jedenfalls verneigt sich seit Samstag in ergreifender Form vor den Opfern. Kremlchef Dmitri Medwedew hat für diesen Montag Staatstrauer in Russland angeordnet - eine große Geste.

Überhaupt gibt es am ersten Tag nach der Katastrophe keine antirussischen Bemerkungen oder Interpretationen in Polen. Politiker und Medien loben das Verhalten der Moskauer Führung und der einfachen Menschen, die auch in Moskau Blumen an der polnischen Botschaft niederlegen. Viele in Moskau und Warschau sehen das Unglück jetzt als Chance auf eine weitere russisch-polnische Annäherung.

Präsident / Unfälle / Polen / Russland
12.04.2010 · 21:52 Uhr
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