Kiew gewährt Ostukraine Sonderstatus

Kiew/Brüssel (dpa) - Im Ringen um eine Lösung des Ukraine-Konflikts hat Kiew ein überraschend starkes Friedenssignal an die Separatisten im Osten des Landes geschickt und sich zugleich eng an die EU gebunden.

Mit einem Gesetz über einen Sonderstatus gewährte die Oberste Rada der Konfliktregion Selbstverwaltungsrechte. «Die Ukraine braucht unbedingt Frieden», sagte Präsident Petro Poroschenko nach dem Parlamentsvotum am Dienstag. In einer weiteren Abstimmung ratifizierte die Rada gleichzeitig mit dem per Video zugeschalteten Europaparlament in Straßburg ein von Moskau kritisiertes Partnerschaftsabkommen zwischen Kiew und Brüssel.

Die USA gratulierten der Ukraine zu dem Abkommen mit der EU und bezeichneten dessen Ratifizierung als historischen Schritt. Zugleich lobte das US-Außenministerium das Gesetz über Sonderstatus und Selbstverwaltungsrechte in der Ostukraine. Dies sei ein weiteres Zeichen dafür, dass Kiew den seit Monaten andauernden Konflikt friedlich beilegen wolle. Poroschenko wird am Donnerstag in Washington erwartet, wo er auch US-Präsident Barack Obama trifft.

Mit dem Sonderstatus für die Ostukraine will Poroschenko den Separatisten entgegenkommen. Er will, dass sie von ihrer Forderung nach Unabhängigkeit abrücken. Er forderte die Aufständischen auf, nun den nächsten Schritt für eine friedliche Konfliktlösung zu tun. Ein Einlenken zeichnete sich aber zunächst nicht ab.

Separatistenführer Alexander Sachartschenko äußerte sich zurückhaltend. Er sagte, wenn der Sonderstatus eine Unabhängigkeit der Region Donbass bedeute, würde er dies begrüßen. Die Aufständischen wollen das Gesetz prüfen. In der Ostukraine herrschen unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Region: von einer Autonomie innerhalb der Ukraine, über eine Unabhängigkeit bis hin zu einem Beitritt zu Russland.

Mit dem Sonderstatus räumt Kiew den Gebieten Donezk und Lugansk für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. Vorgesehen sind zudem örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz. Ein Amnestiegesetz gewährt den Separatisten zudem weitgehende Straffreiheit. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Weil das Gesetz in einer nicht öffentlichen Sitzung verabschiedet wurde, stellten indes einige Politiker die Rechtmäßigkeit des Gesetzes infrage. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kritisierte: «Dieses Gesetz bringt keinen Frieden.» Der russische Duma-Abgeordnete Leonid Sluzki begrüßte den Sonderstatus als vorteilhaft für beide Seiten.

Nach der überraschend schnell angenommenen Friedensinitiative ratifizierte die Oberste Rada im Beisein von Präsident Poroschenko das Partnerschaftsabkommen mit der EU einstimmig. Gleich nach der Abstimmung unterzeichnete der Staatschef die Ratifizierungsurkunde.

Das EU-Parlament in Straßburg billigte das Abkommen zeitgleich mit überwiegender Mehrheit. Der ukrainische Präsident Poroschenko sprach in Kiew von einem «historischen Moment» und bekräftigte erneut, sein Land strebe eine Vollmitgliedschaft in der EU an.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach von einer «Sternstunde der Demokratie» - unter Buhrufen von Gegnern des Assoziierungsvertrages aus rechten und linken Parteien. Viele EU-Abgeordnete hatten zuvor kritisiert, dass der Handelsteil des Abkommens mit einjähriger Verzögerung Anfang 2016 in Kraft treten soll. Dies war am Freitag von Vertretern der EU, Moskaus und Kiews so vereinbart worden.

Russland ist gegen den Freihandelspakt und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Moskau befürchtet, dass der Westen durch das Abkommen mit der Ukraine Zugriff auf die seit Sowjetzeiten eng mit Russland verknüpfte Rüstungs- und Raumfahrtindustrie bekommt.

Um das Abkommen in Kraft zu setzen, müssen alle EU-Regierungen extra zustimmen. Der Assoziierungsvertrag sieht für die Ukraine demokratische Reformen und eine Bekämpfung der Korruption ebenso vor wie eine Übernahme von EU-Normen und Standards, die die ukrainische Wirtschaft später in der EU konkurrenzfähig machen sollen.

Ungeachtet der Friedenssignale Kiews warnte Russland den Westen vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Parlamentschef Sergej Naryschkin kritisierte eine drohende direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Die Regierung in Kiew hatte nach dem Nato-Gipfel in Wales mitgeteilt, dass mehrere Mitgliedstaaten mit der Lieferung von Waffen begonnen hätten. Eine Bestätigung gab es nicht.

Ein chinesischer Militärstratege forderte seine Regierung wegen der Spannungen zwischen den USA und Russland in der Ukraine-Krise zur Vorbereitungen eines Krieges auf. «Der Ausbruch eines Weltkrieges ist nicht unmöglich», schrieb Professor Han Xudong im Parteiorgan «Volkszeitung».

Ein mit Spannung erwartetes Gasgespräch zwischen der Ukraine und Russland kann nach Angaben des russischen Energieministers Alexander Nowak am 22. September stattfinden. Russland hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen an die Ukraine mit der Begründung gestoppt, das Land begleiche seine Schulden nicht. Die Regierung in Kiew wirft Moskau vor, prorussische Separatisten in der umkämpften Ostukraine mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. Der Kreml weist dies zurück.

Zur Überwachung der brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine prüft die Bundesregierung die Entsendung von Drohnen. Die Bundeswehr schickte ein Erkundungsteam mit 14 Soldaten nach Kiew, um die Bedingungen dafür zu prüfen. Die Separatisten berichteten erneut von einem Bruch der Feuerpause in der Großstadt Donezk. Innerhalb von 24 Stunden habe es mindestens drei Tote gegeben, berichtete der örtliche Stadtrat.

Konflikte / EU / Ukraine / Russland
16.09.2014 · 20:23 Uhr
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