Bundeswehr-Schikanen womöglich Fall für Staatsanwalt
Das sagte der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 233, Fred Siems, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zunächst werde aber nach dem Disziplinarrecht der Bundeswehr ermittelt. Die Gebirgsjäger gelten als Eliteeinheit der Bundeswehr.
Es geht unter anderem um Trinken bis zum Umfallen und erzwungenen Verzehr von roher Schweineleber als «Mutprobe» vor der Aufnahme von Rekruten in eine interne Hierarchie. Die Staatsanwaltschaft in München prüft, ob ein Anfangsverdacht für Straftaten vorliegt. «Wir sind im Kontakt mit der Bundeswehr», sagte ein Sprecher der Behörde.
Oberstleutnant Siems sagte: «Es wurde weitestgehend durch mindestens einen Soldaten bestätigt, dass viele von den Angaben wahr sind.» Der Bundeswehrverband forderte Konsequenzen.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der Anfang der 1990-er Jahre seinen Wehrdienst in Mittenwald leistete, hat nach eigenen Angaben von den Ritualen nichts mitbekommen. «Ich hatte von solchen Praktiken keine Kenntnis», sagte der CSU-Politiker der «Sächsischen Zeitung» (Donnerstag). Nach Informationen des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe soll es sie seit den 1980-er Jahren gegeben haben.
Gebirgsjäger aus Mittenwald gerieten bereits 2006 in die Schlagzeilen. Damals posierten sie in Afghanistan auf Fotos mit einem Totenschädel und Knochen toter Zivilisten.
Die jetzt von einem Ex-Soldaten bekanntgemachten Fälle ereigneten sich im Juni 2009. Ermittelt wird nach den Worten von Siems seit dem 4. Februar. An dem Tag sei die Eingabe des im September 2009 bei der Bundeswehr ausgeschiedenen Wehrpflichtigen dem Wehrbeauftragten Robbe bekanntgeworden.
Von den derzeit 24 Soldaten des Hochgebirgsjägerzuges in Mittenwald sei etwa die Hälfte bereits vernommen worden, sagte der Kommandeur. Einzelne Vernehmungen dauerten bis zu vier Stunden. Die Ermittlungen zögen sich in die Länge, weil ein Teil der Soldaten derzeit einen Lehrgang in einer anderen Kaserne absolviert. Der Hochgebirgsjägerzug gehört der Stabs- und Versorgungskompanie des Bataillons an und ist damit eng an die Führung angebunden.
Siems versicherte, die Schikanen seien außerhalb der Dienstzeit nicht in der Kaserne, sondern «in freiem Gelände» und nicht in Uniform geschehen. Betroffen seien ausschließlich Mannschaftsdienstgrade, also einfache Soldaten bis zum Oberstabsgefreiten, nicht Unteroffiziere oder Offiziere. Vorgesetzte hätten nichts gewusst.
«Ich habe von Begriffen wie ?Fuxtest? zum ersten Mal am 4. Februar gehört», sagte Siems. Nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» bestand dieser Test zum Aufstieg innerhalb der Hierarchie bei den Gebirgsjägern unter anderem darin, Rollmöpse mit Frischhefe zu essen. Die Folge sei heftiges Erbrechen. Bisher nicht bestätigt seien Berichte, wonach sich Soldaten vor Kletterübungen vor ihren Kameraden nackt hätten ausziehen müssen.
Der «Hochzugkult» bei den Gebirgsjägern habe sich bereits Ende der 1980-er Jahren herausgebildet, bestätigte der Bataillonskommandeur Angaben des Wehrbeauftragten Robbe. Das jetzt bekanntgewordene Ausmaß sei aber erst in den vergangenen Jahren erreicht worden, sagte Siems. «Wir nehmen die Sache sehr ernst.» Er kündigte rückhaltlose Aufklärung an. Die Wehrdisziplinarordnung gelte auch für Vergehen außerhalb der Dienstzeit und der Kaserne.
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, forderte Konsequenzen. «Eins ist klar, es muss hier ganz deutlich und auch mit aller Konsequenz gehandelt werden», sagte Kirsch dem Nachrichtensender N24. «Wenn sich das alles so bestätigt, wie es sich heute darstellt, dann müssen die zur Rechenschaft gezogen werden, die das gemacht haben, und auch diejenigen, die weggeschaut haben.»
Der Wehrbeauftragte Robbe sprach sich auf n-tv dafür aus, auch allgemeine Konsequenzen für die Ausbildung und Dienstaufsicht bei der Bundeswehr zu prüfen. Es müsse verhindert werden, dass sich solche Vorfälle wiederholen.
Das Verteidigungsministerium äußerte sich zurückhaltend zu solchen Forderungen. Allgemeine Konsequenzen könne es nur geben, wenn es auch allgemeine Verfehlungen gebe, sagte ein Ministeriumssprecher der dpa. «Dafür gibt es überhaupt keine Hinweise.»