Unsicherheit in Rangfolge: Wer ist die Nummer eins?
Grundsätzlich gleichrangig sind alle im Grundgesetz aufgeführten Organe, die zusammen die Führung des Staates ausmachen. In einer Republik wie Deutschland ist aber das Volk oberster Souverän. Von ihm geht alle Gewalt aus, heißt es in Artikel 20 des Grundgesetzes. Verfassungsrechtler sind sich weitgehend einig, dass ein direkt gewähltes Organ eine größere demokratische Legitimität hat als ein nur mittelbar bestimmter Verfassungsträger. Nach diesem Prinzip ergibt sich die Reihenfolge: Volk, Bundestag, Bundesversammlung, Bundesrat, Bundespräsident, Kanzler, Bundesverfassungsgericht, Bundesregierung.
Der Bundestag ist das einzige Verfassungsorgan, das seine Legitimation aus einer allgemeinen und unmittelbaren Wahl herleiten kann. Er steht deshalb dem Souverän am nächsten und ist daher am ranghöchsten.
Der Bundespräsident ist in dieser Kette der erste, der persönlich als «alleiniger Organwalter» amtiert. Die Wahl durch die Bundesversammlung, die sich aus den Mitgliedern des Bundestages und den von den Landtagen gewählten Delegierten zusammensetzt, verschafft ihm eine doppelte Autorität. «Nur» vom Bundestag gewählt wird dagegen der Kanzler. Nicht gewählt, sondern lediglich ernannt werden die Minister.
Einige Staatsrechtler, wenn auch eine Minderheit, haben die Ansicht vertreten, dass eigentlich der Bundestagspräsident noch vor dem Bundespräsidenten platziert sein müsse. Schließlich sei der Parlamentschef der Vertreter des direkt vom Volk gewählten Organs, anders als das nur mittelbar gewählte Staatsoberhaupt.
Einen mitunter munteren Wettstreit gab es um die folgenden Plätze in der Staatshierarchie. Heute wird zumeist der Bundestagspräsident protokollarisch als zweiter Mann im Staat noch vor dem Kanzler eingestuft. Eine richtig schlüssige Begründung dafür gibt es aber nicht. Das einzig halbwegs offizielle Dokument für diese These ist eine schriftliche Auskunft des Verteidigungsministeriums von 1977 an den Bundestag, welche Rangfolge bei militärischen Zeremonien einzuhalten sei.
Konrad Adenauer, Kanzler von 1949 bis 1963, traf seine Entscheidung auf seine Weise. Beim Besuch des äthiopischen Kaisers 1954, der ersten offiziellen Visite eines ausländischen Staatsoberhaupts in der Bundesrepublik, schob sich der CDU-Kanzler in der Ehrenformation einfach am Bundestags-Vizepräsidenten Carlo Schmid vorbei. Der Sozialdemokrat amtierte an Stelle des wenige Tage zuvor gestorbenen Parlamentschefs Hermann Ehlers. Adenauer musste sich dafür von Schmid die Bemerkung gefallen lassen, da, wo der Kanzler gerade stehe, habe früher das Paukenpferd der Schwadron gestanden.